Time of Monsters: The Political Success of Immorality and Indecency

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Zeit der Monster: Der politische Erfolg von Unmoral und Anstandslosigkeit

In den ersten Wochen der ersten Trump-Präsidentschaft trifft sich Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des US-amerikanischen The Atlantic, mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in dessen Büro im Weißen Haus. Sie wollen über den Nahen Osten sprechen, landen aber doch bei einem der vielen verbalen Ausfälle Trumps. „No one can go as low as the president“, sagt Kushner. Niemand kann so tief sinken wie der Präsident. Heute, sieben Jahre später, ist dieser Satz für Goldberg der Moment, der ihm das Rätsel Trump entschlüsselte. „Tief sinken“, das ist keine Kritik. Das ist ein Kompliment. Die Grausamkeit ist nicht das Beiprodukt, sie ist der Schlüssel. Die Leute wollen Trump nicht trotzdem, sondern deswegen.

Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Politiker ihren Mangel an Anstand, an gesundem Menschenverstand, an moralischer Integrität ganz offen zur Schau tragen. Nicht nur in den USA. Rechtspopulisten in ganz Europa keifen von Tabubruch zu Tabubruch, die AfD in Deutschland plant wahrlich Unerhörtes, Ungarns Orban hat jeden Gedanken an europäische Solidarität über Bord geworfen, Putin schon lange die unverfrorene Lüge zum Modus seiner Außen- und Innenpolitik gemacht. Und wir leben in einer Zeit, in der solche Figuren von vielen (nicht der Mehrheit, aber vielen) Menschen genau deshalb bewundert und gewählt werden. Die sich angezogen fühlen von der Unmoral, dem vermeintlichen Anti-Establishment und Rebellentum. Das ist mehr als Politikverdrossenheit, das ist schon der Wunsch, die Welt brennen zu sehen.

Was bleibt den anderen? Wie umgehen mit einem, der keinen moralischen Kompass hat? Die Verteidigung freiheitlicher, demokratischer, humanistischer Prinzipien gegen die Prinzipienlosen erinnert an Poppers berühmtes Toleranz-Paradox: Wie tolerant kann man gegenüber den Intoleranten bleiben, bevor sie einen abschaffen? Die brutale Wahrheit im Jahr 2024 ist: Die liberale Demokratie ist nicht vorbereitet auf solche Menschen. Sie ist anfällig für Zerstörer wie Trump oder seine europäischen Epigonen. Die Verfassung der USA, einer der ältesten Demokratien der Moderne, hat nicht vorgesehen, dass ein Krimineller das höchste Amt des Landes einmal bewusst missbrauchen könnte. In Deutschland plant man, das Bundesverfassungsgericht vor solchen Eingriffen besser zu schützen. In Polen bauen Tusk und seine Koalitionäre mühsam wieder auf, was die PiS an Rechtsstaatlichkeit zerstört hat.

Vor beinahe 100 Jahren schrieb der italienische Marxist Antonio Gramsci, von den Faschisten eingekerkert: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.“ Gramscis berühmte Charakterisierung der Zwischenkriegsjahre, sie lässt einen noch heute erschaudern. Auch wir leben in einem Interregnum, einer Zwischenzeit, einer Zeit der Monster. Die Weltordnung, die sich im vergangenen Jahrhundert der Ideologien verfestigt hatte und die seit dem Ende des Kalten Krieges gar alternativlos erschien, ist ins Wanken geraten. Eine bessere und gerechtere Zukunft für alle ist nicht der einzige mögliche Ausgang.

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