Ist Biden noch „fit for office“?: Wenn echte Bilder lügen
Auch auf dem G7-Gipfel bewegt sich der 81-jährige US-Präsident steif. Aber er ist nicht so orientierungslos, wie Videos der Republikaner suggerieren. Und doch demontieren sie ihn.
Joe Biden ist ein Greis. Er bewegt sich steif, manche sagen: roboterhaft.
Bei der Ankunft zum G7-Gipfel in Rom stakst er so unsicher die Gangway der Air Force One herunter, dass es wohl jedem empathischen Beobachter Angst und Bange wird, ob er unbeschadet den Boden erreicht. Diese Bilder schaden seinem Ansehen und seinem Werben um Wiederwahl. Aber sie sind echt. Sie zeigen die Realität. Er ist nun mal 81 Jahr alt. Das ist das Eine.
Etwas ganz anderes ist es, wenn Fakenews-Köche in republikanischen Wahlkampfzentralen und in den medialen Giftküchen im Ausland Videos zusammenstellen, die Biden noch wesentlich älter, greiser, seniler aussehen lassen, als er ist. Sie nehmen reale Szenen, wie jetzt vom G7-Gipfel oder vorher von Besuch in Frankreich anlässlich des 80. Jahrestags von D-Day, der Landung der Alliierten in der Normandie.
Sie reißen die Bilder aus dem Zusammenhang und schneiden sie so, dass sie dem Zuschauer einen irreführenden Eindruck aufzwingen. Biden wirkt darin desorientiert, manche würden sogar sagen: dement.
Diese Videos lügen. Und doch entfalten sie enorme Wirkung. Sie „gehen viral“, wie man in den Sozialen Medien sagt. Sie haben das Potenzial, Biden zu demontieren und seine Chancen auf Wiederwahl zu unterminieren.
Das neueste Video, das die Wirklichkeit verzerrt, zeigt angeblich einen Biden, der nicht mitbekommt, dass die anderen G7-Kollegen sich zum Gruppenfoto aufstellen, während sie eine Fallschirmspringer-Übung beobachten. Es sieht so aus, als stapfe er orientierungslos in eine andere Richtung, rede mit der Luft.
Dabei wird jeder, der sich den Kontext der Szene und eine längere Bildersequenz anschaut, einen ganz anderen Eindruck gewinnen. Biden wendet sich zwei Soldaten zu, die sich gerade an ihren Fallschirmen am Boden zu schaffen machen. Das passt zu seiner leutseligen Art. Dann holt Giorgia Meloni ihn zurück zur Gruppe.
Biden sucht seinen Stuhl – oder doch nicht?
Ganz ähnlich gingen Trumps Team für Wahlkampfattacken und die internationalen Spin-Doctoren der Desinformation mit den Bildern vom D-Day in der Normandie vor einer Woche um. Sie schnitten die Bilder so, dass der Eindruck entstand: Biden möchte sich setzen, merkt aber nicht, dass da kein Stuhl unter seinem Allerwertesten wartet. Tatsächlich, das ergab die Überprüfung der Nachrichtenagentur AP, blickt Biden über seine Schulter, um sich zu vergewissern, wo sein Stuhl steht und pausiert einen Moment, ehe er sich setzt.
Es ist ein Paradebeispiel, wann und wie Desinformation am effektivsten wirkt. Man nehme einen wahren Kern und bastele falsche Narrative um ihn herum.
Dass Alter und Fitness zu den größten Risiken für Joe Bidens Wiederwahl im November zählen, ist seit langem bekannt. Spätestens seit einem Jahr. Anfang Juni 2023 war er auf der Bühne über einen Sandsack gestolpert, der ein Kabel beschwerte, und vor laufenden Kameras der Länge nach hingefallen.
Biden am Boden: Seither hatten Trump und die Republikaner die Bilder, die sie brauchten, um Biden zu demontieren. Auch wenn die zusammengeschnittenen und extrem bis falsch eingeordneten Videos lügen: Sie verschärfen ein Problem, das auch ohne die verzerrende Übertreibung real existiert.
Biden tritt dennoch an und verweigerte der Demokratischen Partei die Chance, eine oder mehrere jüngere Personen als Alternativen aufzubauen. In den Vorwahlen hätte sich die oder der Beste durchsetzen können.
Es war eine einerseits zielstrebige und mutige Entscheidung. Bidens Hauptargument: Ich bin der Einzige, der Donald Trump besiegt hat. Ich weiß, wie das geht.
Es war zugleich eine rücksichtslose Entscheidung, weil sie die Zukunft der Weltmacht USA davon abhängig machte, wie fit Biden im Wahlkampf 2024 noch sein würde. Der 81-jährige hat nicht mehr die Energie und Gesundheit, die er als 77-Jähriger im Wahljahr 2020 hatte.
Gut möglich, dass nicht nur die USA die Folgen dieser Fehlkalkulation bitter bezahlen werden. Sondern auch Deutschland, Europa, die Ukraine.
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