Donald Trump wird sich an den Nato-Partnern rächen
Gewinnt er die US-Wahl, werden sich die Europäer umschauen. Dann wird es nicht mehr damit getan sein, dass sie ein paar Milliarden mehr für die Rüstung ausgeben. Und das hat vor allem Folgen für Deutschland.
Beginnen wir mit einer Prognose: Donald Trump wird der nächste Präsident der USA. Schließen wir daran jene Frage an, die alle Staats- und Regierungschefs umtreibt, die sich diese Woche zum Nato-Gipfeltreffen in Washington versammeln: Was bedeutet es für die Allianz, wenn ihre Gründungs- und Führungsnation von einem Mann regiert wird, der das Bündnis und die Partner in Europa zutiefst verachtet? Suchen wir nach Antworten.
Seit Henry Kissinger nicht mehr da ist, muss man andere Orakel zurate ziehen, um die internationalen Dinge zu erklären. Zum Glück gibt es auf diesem Forschungsfeld einige interessante Denker, aus deren Arbeiten sich eine Theorie destillieren lässt. Nennen wir sie die Swift-Dylan-Theorie der transatlantischen Beziehungen unter Trump 2.0.
Diese Theorie basiert zum einen auf dem Werk der jungen Amerikanerin Taylor Alison Swift, die viel zum Phänomen der Rache veröffentlicht hat. Ein zentraler Satz in einer ihrer Publikationen, der auch das Grundgefühl und das Hauptmotiv sehr treffend beschreibt, das Präsident Trump in seiner zweiten Amtszeit antreiben wird, lautet: „There is nothing I do better than revenge.“ Nichts kann ich besser, als mich zu rächen.
Die Lastenteilung wird sich fundamental und dauerhaft verschieben müssen
Übertragen auf das Verhältnis zwischen einem Trump-Amerika und den europäischen Nato-Ländern heißt das: Es wird, wie Manager sagen, herausfordernd. Trump hat es in seiner ersten Amtszeit nicht geschafft, die Lastenteilung in der Nato grundlegend zu ändern. Amerika bezahlt immer noch für Europas Sicherheit, so wie seit fast acht Jahrzehnten. In seiner zweiten Amtszeit wird Trump sich für diesen Misserfolg rächen wollen, er wird etwas Radikales fordern – verbunden mit der Drohung, sonst den Krempel hinzuwerfen, sprich: die Nato zu verlassen. Damit die Allianz als transatlantisches Bündnis überlebt, damit Amerika ein sicherheitspolitischer Akteur in Europa bleibt – woran die Europäer ein weit größeres Interesse haben als die Amerikaner –, wird sich die Lastenteilung daher fundamental und dauerhaft verschieben müssen.
Man kann bezweifeln, dass sich das mit der Erhöhung der europäischen Verteidigungsetats um ein paar Dutzend Milliarden Euro erreichen lässt; dass es viel hilft, wenn irgendwann soundsoviele Nato-Länder das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, wenn Deutschland nicht mehr 1,61, sondern 2,19 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investiert. Hält Trump die Europäer dann plötzlich nicht mehr für Schmarotzer, die sich Freiheit und Wohlstand von amerikanischen Steuerzahlern garantieren und finanzieren lassen? Wer so denkt – viel Glück!
Die Europäer müssen die konventionelle Verteidigung ihres Kontinents übernehmen
Höhere europäische Verteidigungsbudgets sind allenfalls eine Übergangslösung. Die einzige Lastenteilung, die man Trump am Ende verkaufen könnte, weil sie klar, glatt und plausibel ist, wäre diese: Die europäischen Nato-Staaten übernehmen die konventionelle Verteidigung ihres Kontinents. Denn das ist Europa – ihr Kontinent, nicht der der Amerikaner. Die Europäer kaufen dafür selbst alle Panzer, Kampfjets, Flugabwehrsysteme sowie Artilleriegeschütze und stellen dazu noch alle Soldaten, die nötig sind, um ein aggressives Russland abzuschrecken oder sich im Ernstfall zu wehren. Die USA sind in diesem Szenario nur noch eine Art letzter Notretter: Sie spannen weiter ihren nuklearen Schutzschirm über die Nato-Partner in Europa.
Die Verantwortung für Europas Sicherheit auf diese Weise konventionell-nuklear aufzuteilen, wird extrem teuer für die Europäer, die viel zu wenig Waffen und Soldaten haben. Und wer soll diese Kosten hauptsächlich tragen, wer kann das überhaupt, wenn nicht das größte und wirtschaftlich stärkste Land des Kontinents: Deutschland?
Deutschland wird die Sicherheit anderer Staaten mitfinanzieren müssen
Das führt zum zweiten Teil der Swift-Dylan-Theorie. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Robert Dylan, genannt Bob, hat sich mit vielen Themen beschäftigt, mit rollenden Steinen ebenso wie mit fliegenden Tauben. Zu seinen wichtigsten Theoremen gehört die 1965 entwickelte Frage „How does it feel?“, die man heutzutage ungefähr mit „Was macht das mit dir?“ übersetzen könnte.
In einer Trump-2.0-Präsidentschaft wird diese Frage oft durch Berlin hallen. Denn Deutschland wird sich dann in der Nato in der Rolle wiederfinden, die in den vergangenen 75 Jahren die USA gespielt haben – als Staat, der die Sicherheit anderer Staaten mitfinanziert, die ihre Verteidigung nur zu gerne externalisieren; als Staat, der sich über die anderen beschwert, die nicht genug ausgeben, obwohl sie es bei Nato-Gipfeltreffen dauernd versprechen; als Staat, der andere zu höheren Militärausgaben drängt und drängt, nur um ständig Ausreden zu hören.
Es gibt bereits jetzt reichlich genervte Zitate vom deutschen Bundeskanzler und seinem Verteidigungsminister über die dürftige Waffenhilfe vieler Europäer für die Ukraine. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass diese Klagen zuweilen so klingen, als ziehe Donald Trump über die geizigen, parasitären Nato-Partner in Europa her. Nun ja, etwas höflicher. Vielleicht keimt da ja schon eine neue Scholz-Pistorius-Trump-Theorie zur Kostenverteilung in internationalen Militärbündnissen.
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