After Attack on Trump, US Must Find Way out of Polarization’s Dead End

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Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich nach dem Schock längerfristig auf Mäßigung und Fairplay im politischen Wettstreit besinnt, ist gering

Das Fieber senken. Innehalten. Rhetorisch abrüsten. Die Schlüsselwörter der politischen Debatte nach dem Attentat auf Donald Trump lassen tatsächlich auf einen Moment der Nachdenklichkeit schließen, auf eine Phase des Sich-Besinnens. Joe Biden, der Präsident, der die Wahl 2020 mit dem Versprechen gewann, die extreme Polarisierung in Amerika zurückzufahren, sie zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, hat – ganz der Staatsmann – gesagt, was gesagt werden muss nach einem derart schockierenden Angriff auf seinen Rivalen.

Dass man einander widerspreche, sei unvermeidlich in der Demokratie – Politik aber dürfe niemals ein Schlachtfeld sein, schon gar nicht ein “killing field”. Gut möglich, dass sich auch Trump nicht nur in der Rolle des wie durch ein Wunder geretteten Märtyrers inszeniert, mit der kämpferisch geballten Faust als dem Symbol, das seinen Wahlkampf bis zum November prägen dürfte. Sondern dass er, de facto im Chor mit Biden, staatsmännische Töne anschlägt. Zumindest für eine Weile, zumindest in Milwaukee, wo ihn seine Partei offiziell zum Kandidaten fürs Oval Office kürt.

Ist dies also die große Zäsur? Der Augenblick, in dem sich ein Land, in dem die Nerven blank zu liegen scheinen, wieder auf Mäßigung und Fairplay im Streit besinnt? Kann nach dem, was in Butler, Pennsylvania, passierte, nichts mehr so sein, wie es vor dem 13. Juli 2024 war? Ein Blick auf die jüngere Geschichte der USA, gerade auf die Zeit seit 2015/16, veranlasst eher zur Skepsis, statt die Hoffnung auf eine Wende zum Besseren zu nähren. Wobei man die Hoffnung nie aufgeben, das oft beschworene amerikanische Talent des Sich-Neuerfindens nie besserwisserisch abschreiben sollte, mag es bisweilen auch wie Pfeifen im Walde klingen.

Wechselhafte Geschichte

In der Vergangenheit wirkten Morde – beziehungsweise Mordversuche – an Führungspersönlichkeiten durchaus wie Weckrufe, denen längere Phasen sinkenden Fiebers folgten. Phasen, in denen sich Stimmen der Vernunft durchsetzen konnten. 1968 war so ein Einschnitt. Die tödlichen Schüsse auf Martin Luther King und Robert Kennedy, eine mitten im Vietnamkrieg emotional aufgewühlte Gesellschaft, die in sich ging und die Weichen in Richtung Maß und Mitte stellte, bis 1976 mit Jimmy Carter und Gerald Ford zwei besonnene Politiker um die Präsidentschaft kämpften, die man heute als dezidierte Antipopulisten charakterisieren würde.

1981 folgte den Verletzungen, die Ronald Reagan bei einer Attacke erlitt, ein Jahrzehnt, das nicht nur konservative Amerikaner, sondern auch solche der Mitte bis heute als ein goldenes verklären. Mit Reagan in der Rolle des ewigen Optimisten, der unerschütterlich sein “It’s morning again in America” pfeift, so naiv man ihn in Europa dafür auch gehalten haben mag. Kann sich dergleichen wiederholen? Die erste Einschränkung: Donald Trump ist kein Ronald Reagan. Zumindest war er das bisher nicht. Die zweite: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind heute so zerrissen, die Widersacher derart einzementiert in ihren gedanklichen Bunkern, wie sie es vermutlich nur im und um den Bürgerkrieg 1861 bis 1865 waren.

Auch jetzt, da Erleichterung herrscht, weil Trump zumindest körperlich fast unversehrt blieb, darf man daran erinnern, wie gerade er dazu beitrug, das politische Klima zu vergiften: Er hat die Polarisierung nicht verursacht, aber auch nichts getan, um sie einzudämmen – profitierte er doch von ihr wie kein anderer. Mit seiner Rhetorik hat er angestachelt, auf Gereiztheit gesetzt, statt zur Gelassenheit zu mahnen. Er hat politische Gegner nicht nur ständig persönlich angegriffen, er hat sich auch einer Sprache bedient, die den Weg zur Anwendung von Gewalt ebnete, gegen Opponenten, denen er manchmal das Menschliche nahm: “Abschaum”, “Ungeziefer”, “Feinde des Volkes”.

Häme statt Anteilnahme

Oder die Häme, mit der er 2022 nach der Hammerattacke auf den Ehemann Nancy Pelosis, seinerzeit die ranghöchste Demokratin nach Biden, das Opfer verhöhnte. “Na, wie geht’s ihrem Mann? Weiß jemand was?” Oder der Versuch, sich trotz verlorener Wahl an die Macht zu klammern und dafür, während des Sturms auf das US-Kapitol, zu dem er aufwiegelte, sogar den Tod von Mike Pence in Kauf zu nehmen, seines zuvor so loyalen Vizepräsidenten, dem der Mob mit dem Galgen drohte. Oder, noch vor jenem 6. Jänner 2021, bei einer TV-Debatte mit Biden die Aufforderung an die Proud Boys, eine rechtsradikale Miliz, sich einstweilen zurückzunehmen, wohl aber für alle Fälle “bereitzuhalten”. Die Liste ist lang, und einige Wortmeldungen nach dem Angriff von Pennsylvania lassen vermuten, dass Trumps Republikaner jetzt nicht einfach umschalten auf die sonnige Der-Blick-geht-nach-vorn-Rhetorik eines Ronald Reagan.

“Die zentrale Prämisse der Biden-Kampagne ist, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss”, sagte J.D. Vance, der Senator aus Ohio, der – obwohl einst ein Kritiker – seine Karriereaussichten nun auch als Vizepräsidentschaftskandidat ganz mit dem Namen Trump verbindet. Eine solche Wortwahl habe direkt zu dem Mordversuch geführt. Tim Scott, Senator aus South Carolina, einer der aufstrebenden Afroamerikaner im Orbit des Milliardärs aus New York, stieß ins gleiche Horn: Das Attentat sei begünstigt worden durch “die radikale Linke und die Unternehmensmedien, die Trump unablässig eine Gefahr für die Demokratie oder noch Schlimmeres nannten”.

Skepsis ist angebracht

Ob Donald Trump solche Stimmen durch Staatsmännisches übertönt oder aber bald wieder Öl ins Feuer gießt, bleibt abzuwarten. Möglich scheint beides, allerdings gibt es Gründe, skeptisch zu sein.

Was die Verrohung des politischen Diskurses angerichtet hat in der Gesellschaft, dokumentierte ein Wissenschafterteam der University of Chicago erst im Juni in einer hochaktuellen Studie: Demnach hält es ein Zehntel der Amerikaner für gerechtfertigt, zur Gewalt zu greifen, um zu verhindern, dass Trump noch einmal im Weißen Haus einzieht. Sieben Prozent befürworten Gewalt als ein Mittel, um seine Rückkehr ins Weiße Haus zu erreichen. Die amerikanische Demokratie durchlaufe eine Krise, analysierte der Politikwissenschafter Robert Pape, der federführende Autor der Studie, im Fernsehsender CBS.

Was in Pennsylvania geschehen sei, sei Ausdruck dieser Krise, fügte er hinzu und dämpfte die Erwartung, dass das Land eine längere Pause des Nachdenkens einlegt. Das Fundament jener, die Gewalt unterstützten, sei einfach zu breit. “Zu glauben, das alles werde sich einfach in Luft auflösen, das halte ich schlicht für unrealistisch.”

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