Trump überlässt Harris die Mitte
Kamala Harris gibt sich als gemäßigte Demokratin, Donald Trump wieder als Untergangsprophet. Die Kontraste sind nach dem TV-Duell klar, der Ausgang der Wahl ist es nicht.
Eines kann man mit einiger Sicherheit sagen über die Fernsehdebatte zwischen Trump und Harris: Wahlentscheidend dürfte sie nicht werden. Nach dem desaströsen Auftritt Bidens gegen Trump fürchtete die Führung der Demokraten zu Recht um den Wahlsieg. Davon kann nach diesem Abend in Philadelphia keine Rede sein.
Die Vizepräsidentin hatte einen souveränen Auftritt, in einer ersten Blitzumfrage wurde sie von Wählern als Siegerin eingestuft. Das sollte man nicht überbewerten. Harris bläst nach diesem Abend aber wenigstens nicht der Wind aus dem eigenen, linksliberalen Umfeld in Medien und Politik ins Gesicht, wie das bei Biden der Fall war.
Kein politologisches Proseminar
Vor der Debatte hatten Umfragen ergeben, dass viele Wähler mehr über Harris wissen wollten; Trump kennen sie ja zur Genüge. Dieser Wunsch ging nur zum Teil in Erfüllung. Eine Wahlkampfdebatte ist kein politologisches Proseminar und eine mit Trump schon gar nicht. Deshalb tauschten die Kandidaten mehr Schlagworte aus, als sich über konkrete Maßnahmen zu streiten.
Der Kontrast wurde trotzdem deutlich: Harris gab sich als gemäßigte Demokratin, die etwa selbst Waffen besitzt; sie setzte auf einen Generationenwechsel und Mobilisierungsthemen ihrer Partei wie die Abtreibung. Trump dagegen trat weiter als Amerikas Untergangsprophet auf und blieb beim republikanischen Hauptthema: der Einwanderung. Dass er sich nicht scheute, Gerüchte aufzugreifen, dass Migranten angeblich Haustiere essen, überrascht nicht, ist aber ein neuer Tiefpunkt der amerikanischen Debattenkultur.
Es fällt auf, dass Trump, wie auch sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance, stark seine Kernwählerschaft bedient. Das eröffnet Harris Chancen in der Mitte.
Für Europa bestätigte die Debatte die bisherigen Vermutungen über die künftige Außenpolitik des Landes. Mit Harris bliebe Amerika eine Führungsmacht. Mit Trump dagegen ginge es zurück zu Isolationismus und unstrategischem „deal making“. Das könnte für die europäische Sicherheit ernstere Folgen haben als in seiner ersten Amtszeit, Stichwort Ukraine.
Aber es sind nicht die Europäer, die am 5. November wählen. Sie müssen sich auf beide Fälle vorbereiten.
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