Schnapsidee: Protektionismus statt Freihandel
Die etwas älteren Leser können sich bestimmt noch gut an Camillo Felgen erinnern. Der Sänger – etwa „Sou laang wéi s du do bass“ und „Ich hab’ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren“ – und Moderator leitete von 1965 bis 1973 die Fernsehsendung „Spiel ohne Grenzen“. Die beliebte Show, bei der Teams aus verschiedenen europäischen Ländern in Geschicklichkeitsspielen wetteiferten, fand lange vor der Schaffung des Binnenmarktes mit freiem Personenverkehr als Herzstück der Europäischen Union statt. Mit dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens wurden die Personenkontrollen an den Binnengrenzen obsolet. Mit ihrer jüngsten, zumindest vorübergehenden Wiedereinführung wurde das Rad der Zeit ein Stück weit zurückgedreht.
Im Rückwärtsgang wird bereits seit längerer Zeit im Welthandel gefahren. War seit 1947 durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), aus dem später die Welthandelsorganisation (WTO) entstand, von der Blütezeit des Freihandels zu sprechen, gefolgt von multi- und bilateralen Freihandelsabkommen, weht der Wind mittlerweile in eine andere Richtung. Der Protektionismus erlebt ein Revival. China und die USA, aber auch europäische Staaten belegen importierte Waren mit Sonderzöllen. Die Auseinandersetzungen werden mit zunehmender Härte geführt, sodass bereits von „Handelskriegen“ die Rede ist.
Vorbei scheint die Ära der Globalisierung. Diese hatte zu einem Anstieg des Welthandels geführt. Der Abbau von Handelsbarrieren sorgte dafür, dass der Austausch mit Gütern besser funktionierte. Mehr Wettbewerb und ein breiteres Angebot an Gütern sowie niedrigere Preise waren die Folgen. Die Globalisierung hat nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern Millionen Menschen aus der Armut geholt.
Ihre Kritiker lasteten ihr jedoch an, dass sich der geschaffene Wohlstand ungleich verteilte, Industrieländer ihre Produktion immer mehr ins Ausland verlagerten, um Kosten zu sparen. Großkonzerne beuteten billige Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern aus. Die Globalisierung führe außerdem zu einer größeren Ungleichheit zwischen Arm und Reich, zu mehr Abhängigkeit von anderen Ländern, zur Bevorteilung von wenigen Global Playern, zu höherer Umweltbelastung, zur Verschärfung des Klimawandels und nicht zuletzt zur Vereinheitlichung der Welt, lauteten die Vorwürfe. Freihandelsabkommen wie TTIP oder das EU-Mercosur-Abkommen wurden torpediert. Berühmtes Beispiel war der Streit ums Chlorhühnchen.
Auf seinem Weg ins Weiße Haus kündigt Donald Trump, der bereits in seiner ersten Amtszeit Tausende Zölle erhob, ein ums andere Mal hohe Importzölle an. Er glaubt, damit würden amerikanische Unternehmen ihre Produktion aus dem Ausland zurück in die USA verlagern. Die attackierten Handelspartner würden zur Vergeltung ihrerseits Zölle erhöhen. Der Welthandel würde einbrechen, Handelsblöcke, die sich nach außen abschotten, würden entstehen. Die Kosten müssten Unternehmen und Verbraucher tragen, die Lebenshaltungskosten würden steigen und die Bruttoinlandsprodukte schrumpfen.
In den USA hat sich die Schnapsidee festgesetzt, die Globalisierung habe das Land arm gemacht. Es sei besser, sich von der Welt abzukapseln. Der Protektionismus sei zum Heilsversprechen geworden, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Trumps Widersacherin Kamala Harris gibt sich kaum weniger protektionistisch. Bereits Joe Biden hatte Trumps Zölle übernommen und manche sogar erhöht. The Economist sprach von einer „Trumpification of American policy“. Der Protektionismus ist zumindest in den USA zum Mainstream geworden.
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