Wenn Biden und Trump in Nahost an einem Strang ziehen
Ein Gaza-Abkommen stand vor dem Abschluss, das bereits vor einem halben Jahr spruchreif gewesen war. Es hätte beiden Seiten viel Leid erspart. Mit Donald Trump kam indes neue Dynamik in die Gespräche – und Benjamin Netanjahu fügt sich vermutlich dem Turbo-Druck aus Washington.
Von Jerusalem über Kairo nach Doha und retour: Steve Witkoff tourt seit Wochen durch den Nahen Osten, allerdings ohne offizielle Funktion. Und doch standen dem Nahost-Sonderbotschafter Donald Trumps überall die Türen der Residenzen offen. Die Macht des Faktischen begleitete den New Yorker Immobilienmogul und Milliardär, der erst in wenigen Tagen seinen neuen Job antritt, auf seiner diplomatischen Mission für ein Gaza-Abkommen. Der Turbo-Druck des selbst ernannten Dealmakers Trump eilte ihm voraus.
Und nun winkt den Verhandlern ein Erfolg – und in einer raren Co-Produktion auch den so ungleichen US-Präsidenten Biden und Trump. Die Deadline, terminiert mit dem Stabwechsel in Washington am 20. Jänner, diktierte die Dynamik.
Parallele zur Freilassung der US-Geiseln aus dem Iran
Bis hin zu Barack Obama und John Kerry, Joe Biden und Antony Blinken sind viele Präsidenten und Außenminister der USA an der Hartleibigkeit Benjamin Netanjahus verzweifelt. Witkoff sprang mit dem widerspenstigen israelischen Premier indessen um wie mit einem Geschäftspartner, der sich gegen einen Deal sträubt. Das Biden-Team, das seit einem ersten Geiseldeal vor 14 Monaten in mühsamer Kleinarbeit um ein Folgeabkommen ringt, war klug genug, den Trump-Emissär mit den Geschäftskontakten in Katar und den Golfstaaten in die Gespräche einzubinden.
Und siehe da: Plötzlich kam Bewegung in die Sache – eine Parallele zu den zähen Verhandlungen zwischen den USA und Iran über die Freilassung des US-Botschaftspersonals in Teheran unmittelbar vor dem Machtwechsel anno 1981 zwischen Jimmy Carter und Ronald Reagan.
Blaupause des Biden-Vorschlags
Wie sollte sich Netanjahu da in einem Treffen mit Geiselangehörigen noch mit faulen Ausreden hinauswinden, indem er etwa auf einer Truppenpräsenz im sogenannten Philadelphi-Korridor im südlichen Gazastreifen beharrt? Oder auf eine vollständige Geiselliste pocht. Israels Opposition sichert dem Premier die Unterstützung für den Fall zu, dass die rechtsextremen Koalitionspartner die Drohung wahrmachen und die Regierung sprengen.
US-Präsident Biden hat im vorigen Frühjahr die Grundzüge eines Abkommens vorgelegt, das eine Blaupause für das aktuelle ist. Eine Einigung schien auch damals in Reichweite, doch die Hamas und Netanjahu sperrten sich letztlich gegen Detailfragen – die sich ein halbes Jahr später, nach dem Tod des Hamas-Führers Yahya Sinwar im Oktober und dem Wahlsieg Trumps, in Luft aufgelöst haben. Den israelischen Geiselfamilien, vor allem aber der palästinensischen Zivilbevölkerung wäre viel Leid erspart geblieben. Doch Israels Premier spielte im Interregnum in Washington auf Zeit.
Ende des Gaza-Kriegs ist überfällig
Spätestens nach dem Tod des Terror-Masterminds Sinwar hätte Israel den Krieg beenden müssen. Die Kriegsziele waren großteils erreicht: Der Hamas-Chef war liquidiert, die Terrorinfrastruktur weitgehend zerstört, die Terrororganisation massiv geschwächt – und die iranischen Terrorpaten waren schwer getroffen.
Doch Netanjahu führte den Gaza-Krieg trotz interner und externer Kritik ungerührt weiter. Ein Ausstiegsszenario blieb er schuldig. Kurz vor Ende seiner Amtszeit, quasi als Vermächtnis, formulierte indes US-Außenminister Blinken einen Nachkriegsplan. Die Palästinensische Autonomiebehörde – mit Assistenz Ägyptens, der Emirate und Saudiarabiens – übernimmt darin die Kontrolle über den devastierten Küstenstreifen. Und am Horizont steht ein eigener Palästinenserstaat. Was den Zielen zumindest Netanjahus zuwiderläuft. Das Trump-Team muss freilich darauf aufbauen, auch um den großen Deal mit den Saudis abzuschließen.
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