The US We Knew No Longer Exists

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Unsere USA gibt es nicht mehr

Sie waren der Garant für den “freien Westen” – das ist ihnen lästig geworden

Ich bin aus einer Generation, die den USA ihre Freiheit verdankt. Ohne die USA hätte die Nazi-Diktatur nicht niedergerungen werden können (die Sowjetunion hätte ohne US-Lieferungen den Krieg nicht oder viel später gewonnen). Ohne die USA der Trumans, Eisenhowers und Kennedys wäre Westeuropa inklusive Österreich dem Expansionismus Stalins und seiner Nachfolger zum Opfer gefallen. Nach dem Krieg haben die US-Amerikaner gerade auch im autoritär denkenden Österreich demokratisches Gedankengut befördert. In zig größeren und kleineren Krisen haben die USA Europa stabilisiert (bis hin zum militärischen Eingreifen Bill Clintons gegen den serbischen Expansionismus im exjugoslawischen Krieg). Der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit des “Ostblocks” wurde durch die US-Rüstung Ronald Reagans, bei der die sowjetische Wirtschaft nicht mithalten konnte, massiv befördert. Die Nato, mit der Führungsmacht USA, hat Europa vor dem Expansionismus Wladimir Putins bewahrt – bisher.

Die USA hatten und haben schwere Defizite. Der Vietnamkrieg war eine in Teilen verbrecherische Verirrung. Die Waffenverrücktheit der US-Amerikaner zerstört den gesellschaftlichen Konsens. Das politische System ist veraltet und nicht mehr repräsentativ. Aber die USA waren letzten Endes der Garant für die Existenz von etwas, das man die “freie Welt”, den freien Westen nennt. Bis gestern.

Ohne Rücksicht

Seit Donald Trump wieder an der Macht ist, versucht er mit rasender Geschwindigkeit, die USA in eine rechtsextreme Autokratie umzubauen – wobei Hightech-Oligarchen wie Elon Musk ein Überwachungs- und Beeinflussungssystem aufbauen können, gegen das 1984 altmodisch wirkt. Das ist die Transformation nach innen. Die Transformation nach außen besteht darin, jetzt wirklich ein US-amerikanisches Imperium zu errichten. Mit Gebietsansprüchen (Grönland, Kanada) und ohne Rücksicht auf lästige Verbündete.

Trump will mit Putin die Welt neu aufteilen und dessen Imperialismus in Europa relativ freie Hand lassen, um sich der Rivalität mit China widmen zu können. Er glaubt, man könne mit einem russischen Imperialisten einen “Deal” machen: Osteuropa wieder unter russischem Einfluss, der Rest Europas muss sehen, wo er bleibt. Am besten unter der Herrschaft von russophilen Rechtspolitikern wie Marine Le Pen, Alice Weidel, aber auch Viktor Orbán und Herbert Kickl.

Putin will mehr

Das verkennt einerseits die Auswirkungen, die ein Im-Stich-Lassen der demokratischen Verbündeten in Europa auch auf die USA hätte. Andererseits ist Putin kein schwindliger Immo-Dealmaker wie Trump. Er will mehr. Mehr als die Ukraine, die Baltenstaaten und das ehemals kommunistische Osteuropa. Er will die USA ganz aus Europa draußen haben und die gesamte Nachkriegssicherheitsarchitektur zerstören. Das kündigte er schon vor dem Einmarsch in die Ukraine an, und er sagt jetzt wieder, dass dies Thema der Gespräche sein wird.

Die Trump-USA begreifen das nicht, oder es ist ihnen egal. Aber auch mit Kamala Harris wäre die alte Achse USA–Europa nicht mehr dasselbe. Die Tochter indisch-karibischer Einwanderer hätte ebenfalls andere Prioritäten gehabt.

Vier Jahre Trump und dann acht Jahre J. D. Vance wären auch verheerend für ein freies, demokratisches Österreich. Es muss nicht so kommen – wenn die Gegenkräfte zu Trump und Putin in den USA, in Europa und auch in Österreich sich endlich selbst ermächtigen. Aber es wird verdammt knapp.

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