A Historic Turn – Is That All?

Published in Berliner Zeitung
(Germany) on 19 July 2015
by Wolfgang Kunath (link to originallink to original)
Translated from by Kelsey Ray. Edited by Helaine Schweitzer.
Reconciliation between the U.S. and Cuba is certainly historic, but it does not mean a transformation of U.S.-Latin America relations. This is largely because the leftist South American heads of state have long since been freed from the influence of the United States.

From another time: For decades the relationship between the U.S. and its island neighbor Cuba was an anachronism. When the U.S. diplomats up and left their concrete block embassy in the Bay of Havana in 1961, Barack Obama, whom history books will credit for this historic turn in the bilateral relationship between the U.S. and Cuba, had not yet been born. Since then, the world has changed, as it should over the last half century, but virtually nothing has changed between Havana and Washington: fierce silences, interrupted only occasionally by mutual verbal abuse, in addition to the stubbornly defended trade embargo. As if time had stood still in 1961 and is today taking off after the astounding reconciliation in recent months, both lands are resuming diplomatic relations and opening up embassies in each other’s capitals.

No other event in the 20th century has so deeply affected the relationship between the U.S. and Latin America as the Cuban Revolution. Che Guevara’s famous declaration of war, “We will create two, three, many Vietnams,” appeared to the U.S. at the time to be threatening their backyard – everything supposedly uninhabited south of the U.S. border with Mexico – with Moscow in the background always pulling the strings, until just before the nuclear exchange during the Cuban Missile Crisis of 1962. In Washington this was the depiction of the world for decades. This premise would justify the nastiest villainy of U.S. foreign policy, supporting, for example, the 1964 military putsch in Brazil and in 1973 in Chile, supporting arm shipments to the Nicaraguan Contras in the 1980s, up until the participation in the coup d’état against Venezuelan President Chavez in 2002.

Approval for Obama Will Increase

After six decades of justifiably worn-out vocabulary, what does this historic turn mean for the superpower’s relations with its southern neighbors? Astoundingly little. Approval ratings for Barack Obama will still improve in the region as a young, dynamic and, in addition, not another white, U.S. president, but after the initial high his popularity will steadily fall. Obama has not yet closed Guantanamo Bay, his spies have bugged South American presidents’ cellphones, the U.S. foreign policymakers have propounded foolish accusations that Venezuela endangers the safety of the United States. All of this has prompted people in the region to shake their heads. The turn in Cuban policy brings Obama unanimous applause, countered only by the right wing in the U.S., which urges caution since after Obama leaves office, something else could quickly occur.

Change Has Already Occurred

And now? Such a transformation will not cause significant consequences for U.S.-Latin America relations. The changes long preceded Obama’s Cuba policy. What will “leftist” still mean, other than the fact that Colombian leftist leaders have, since the turn of the century, come to power in virtually all South American countries? In any case, politicians who fought and suffered under the U.S.-protected dictatorships, occasionally hostile toward Washington, are critical. In any case, they are not like the generation of politicians before them, understood to be yea-sayers, or politicians who even received instruction from Washington. The new administration could not have accomplished much if the economy had not come to its rescue. The marvelous growth rate in the first decade of this century substantially loosened the economic ties to the United States, although at the expense of new ties; sometimes there are fateful dependencies. If China coughs, it threatens Latin America with pneumonia. Nonetheless the region has been exempted from the rule of a single power.

The multipolarity also mirrors the levels of political involvement: In addition to the strong influence from the U.S. and the Organization of American States, now comes the Union of South American Nations, a confederation of states from the Americas without the U.S. and Canada. UNASUR often turns a blind eye to democratic Venezuela’s deficits, but no doubt this new self-awareness phase is good for the region. “We have even learned to flirt and kiss like Americans,” the Brazilian author João Ubaldo Ribeiro, who passed away last year, said in describing the effect that U.S. culture, above all the cinema, had on him in his youth. This too has passed. The fascination with mimicking the U.S. and its lifestyle in Latin America has dwindled.


Eine historische Wende – mehr nicht

Die Annäherung zwischen den USA und Kuba ist zwar historisch, einen Wandel für das Verhältnis USA-Lateinamerika bedeutet sie aber nicht. Denn die größtenteils linken südamerikanischen Staatschefs haben sich längst von den USA emanzipiert.

Wie aus der Zeit gefallen: Das Verhältnis zwischen den USA und ihrem Insel-Nachbarn Kuba war jahrzehntelang ein Anachronismus. Als die US-Diplomaten 1961 ihre Betonklotz-Botschaft an der Bucht von Havanna abschlossen und abreisten, war Barack Obama, dem die Geschichtsbücher die historische Wende in den bilateralen Beziehungen gutschreiben werden, noch nicht geboren. Seither hat sich die Welt gewandelt, wie sie es in einem halben Jahrhundert nun mal tut, aber zwischen Havanna und Washington änderte sich so gut wie nichts: Grimmiges Schweigen, das ab und zu von den immer gleich klingenden verbalen Angriffen unterbrochen wurde, dazu das stur verteidigte Handels-Embargo. Als wäre die Zeit 1961 stehengeblieben – und heute nehmen, nach der atemberaubenden Annäherung in den letzten Monaten, beide Länder wieder diplomatische Beziehungen auf, eröffnen sie in der jeweils anderen Hauptstadt ihre Botschaften.

Kein anderes Ereignis im 20. Jahrhundert hat sich so tief auf die Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika ausgewirkt wie die kubanische Revolution. „Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam“ – Che Guevaras berühmte Kampfansage schien die USA in ihrem Hinterhof – so nannte man damals ungeniert alles südlich der US-Grenze zu Mexiko – zu bedrohen, und im Hintergrund zog immer Moskau die Fäden, bis knapp vor dem nuklearen Schlagabtausch in der Kuba-Krise 1962. So stellte sich die Welt jahrzehntelang für Washington dar. Eine Ausgangslage, mit der die übelsten Schurkereien der US-Außenpolitik gerechtfertigt wurden, von der Unterstützung der Militärputsche in Brasilien 1964 und Chile 1973 über die Waffenhilfe für Nicaraguas Contras in den Achtzigern bis zur Teilnahme am Staatsstreich gegen Venezuelas Präsidenten Chávez 2002.
Sympathie für Obama wird steigen

Was bedeutet die historische Wende – nach sechs Jahrzehnten ist die abgegriffene Vokabel tatsächlich gerechtfertigt – für das Verhältnis der Supermacht zu ihren südlichen Nachbarn? Erstaunlich wenig. In der Region werden die Sympathiewerte für Barack Obama wieder steigen, nachdem sie von ihrem Anfangshoch – ein junger, dynamischer und noch dazu nicht weißer US-Präsident! – stetig gefallen sind. Dass Obama das Lager Guantánamo nicht aufgelöst hat, dass seine Lauscher auch in Südamerika Präsidenten-Handys abhören, dass sich die US-Außenpolitik zu der tölpelhaften Anschuldigung versteigt, Venezuela gefährde die Sicherheit der USA – das alles hat in der Region Kopfschütteln ausgelöst. Die Wende in der Kuba-Politik bringt Obama nun einhelligen Beifall. Dagegen ist nur die Rechte in den USA. Was zur Vorsicht mahnt, denn nach Obama könnte schnell wieder alles anders sein.hat, dass seine Lauscher auch in Südamerika Präsidenten-Handys abhören, dass sich die US-Außenpolitik zu der tölpelhaften Anschuldigung versteigt, Venezuela gefährde die Sicherheit der USA – das alles hat in der Region Kopfschütteln ausgelöst. Die Wende in der Kuba-Politik bringt Obama nun einhelligen Beifall. Dagegen ist nur die Rechte in den USA. Was zur Vorsicht mahnt, denn nach Obama könnte schnell wieder alles anders sein.
Wandel schon längst da

Und sonst? Bedeutendere Folgen zöge so ein Wandel für das Verhältnis USA-Lateinamerika nicht nach sich. Die Veränderungen sind Obamas Kuba-Politik längst vorausgegangen. Was auch immer „links“ bedeuten mag – bis auf Kolumbien sind seit der Jahrtausendwende in praktisch allen Ländern Südamerikas linke Staatschefs ans Ruder gekommen. Politikerinnen und Politiker, die unter den US-unterstützten Diktaturen gekämpft und gelitten haben, die Washington mitunter feindlich, auf jeden Fall kritisch gegenüberstehen. Die sich jedenfalls nicht, wie die Politiker-Generation vor ihnen, als Ja-Sager oder gar als Befehlsempfänger Washingtons verstanden. Das neue politische Personal hätte nicht viel ausrichten können, wenn ihm nicht die Wirtschaft zu Hilfe gekommen wäre. Die fabelhaften Wachstumsraten im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts haben die ökonomischen Bande zu den USA kräftig gelockert, wenn auch um den Preis neuer, mitunter fataler Abhängigkeiten. Wenn heute China hustet, droht Lateinamerika zwar die Lungenentzündung. Aber dennoch hat sich die Region von der Herrschaft einer einzigen Vormacht befreit.

Die Multipolarität spiegelt sich auch auf politischer Ebene wider. Neben die stark von den USA beeinflusste Organisation Amerikanischer Staaten OAS ist die Unasur getreten, ein Staatenbündnis Amerikas, aber eben ohne USA und Kanada. Vor den demokratischen Defiziten Venezuelas drückt die Unasur zwar oft ein Auge zu. Aber zweifellos ist sie der Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins, das der Region guttut. „Wir haben ja sogar gelernt, amerikanisch zu flirten und amerikanisch zu küssen“, beschrieb der vergangenes Jahr gestorbene brasilianische Autor João Ubaldo Ribeiro einmal die Auswirkungen, die die US-Kultur, vor allem das Kino, in seiner Jugend hatte. Auch das ist vorbei – die Faszination, die die USA und ihr Lebensstil in Lateinamerika ausübten, ist geschwunden.
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