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Posted on April 18, 2012.
Seit Rick Santorum am Dienstag seinen Ausstieg aus dem Rennen um die amerikanische Präsidentschaft verkündet hat, hat der Hauptwahlkampf um das Weisse Haus zwischen Barack Obama und Mitt Romney offiziell begonnen. Namentlich Obamas Kampagne ist sofort dazu übergegangen, Romney auf diversen Kanälen hart zu attackieren. Derzeit werfen sich beide Lager gegenseitig mit übertriebenem Eifer vor, einen «Krieg gegen die amerikanischen Frauen» führen. Und eine demokratische Partei-Strategin hat mit einer despektierlichen Bemerkung gegenüber Romneys Gattin Anne und gegenüber nicht berufstätigen Müttern für Schlagzeilen in Medien aller politischer Couleur gesorgt.
Santorum hingegen ist im schnelllebigen Medienzirkus beinahe schon vergessen gegangen, weshalb ich hier noch einmal einen kurzen Blick zurück auf seine Kampagne richten möchte, die für die wohl grösste Überraschung in den republikanischen Vorwahlen gesorgt hat. Denn noch vor wenigen Monaten hatte niemand damit gerechnet, dass sich ausgerechnet Santorum als gefährlichster Herausforderer Mitt Romneys entpuppen würde.
Insofern kam Santorum in diesem Präsidentschaftswahlkampf die fast archetypische Rolle des Underdogs zu, der ohne viel Geld, ohne prominente Unterstützung und ohne richtige Kampagnen-Organisation ins Abenteuer zog. Er war der Underdog, der beim Wahlvolk ankam und das Partei-Establishment, die Medien und gar Ikonen der Tea-Party wie Sarah Palin mit seinen Siegen in insgesamt elf Gliedstaaten verblüffte. Und er war der Underdog, dem es gelang, die Entscheidung in den Vorwahlen trotz seiner frappanten finanziellen Unterlegenheit bis in den April hinein zu verzögern.
Doch warum wurde ausgerechnet Santorum zum konservativen Hauptwidersacher Romneys? Zum einen liegt dies sicherlich daran, dass sich konservative Alternativen wie Rick Perry, Herman Cain, Michelle Bachmann oder (bis zu einem gewissen Grad) auch Newt Gingrich bis zum offiziellen Beginn der Vorwahlen bereits selber diskreditiert hatten oder Romneys Angriffen zum Opfer gefallen waren. Übrig blieb nach dieser Lesart bloss Santorum, der auf nationaler Ebene weitgehend unbekannt und entsprechend unverbraucht war, obwohl er seine letzte Wahl (um seinen Sitz als Senator für den Gliedstaat Pennsylvania) mit 18 Prozentpunkten Rückstand verloren hatte.
Zum anderen ist Santorums Achtungserfolg aber durchaus auch sein eigenes Verdienst. Der frühere Senator wirkte für einen Politiker überraschend aufrichtig und authentisch. Er konnte seine über 90 Jahre alte Mutter auf die Bühne hieven oder auf Pressefotos oder auf Abzeichen seine behinderte Tochter zur Schau stellen, ohne dass ihm das als anbiedernd ausgelegt worden wäre. Santorum predigte, dass das Heil der Nation in der Familie liege. Und anders als vielen anderen Kandidaten gelang es dem Vater von sieben Kindern, diese Vorstellung auch persönlich glaubwürdig und skandalfrei zu verkörpern.
Seine gesellschaftspolitisch konservativen Haltungen zu Fragen wie Verhütung, Abtreibung, Homosexualität oder Frauen in der Armee wurden zu seinem Markenzeichen. Es waren durchaus auch die Medien, die den gläubigen Katholiken rasch auf diese Dimension reduzierten. Doch äusserte sich der Sohn italienischer Einwanderer auch mit markigen Worten zu jeder gesellschaftspolitischen Frage, die ihm gestellt wurde, und er kokettierte mit seiner Rolle als sozial Konservativer, um christlich-konservative Wähler anzusprechen. Entsprechend wurde er auch zum Feindbild vieler Liberaler. Wer über Google nach Santorum suchte, stiess während langer Zeit an erster Stelle auf eine von Schwulen-Aktivisten lancierte Schmäh-Website.
Aus der Position des Underdogs mit klaren Werten heraus griff Santorum den Favoriten Romney immer wieder an. Er bezichtigte ihn der Lüge, bezeichnete ihn als wankelmütig oder als Vertreter der Wirtschaftselite. Und immer wieder griff er Romneys Gesundheitsreform im Gliedstaat Massachusetts an, die dem nationalen Gesetz «Obamacare» angeblich als Vorbild gedient habe.
Auch wenn die Demokraten solche Zitate noch ein paar Mal aufwärmen dürften, lehrt die Geschichte, dass der Vorwahlkampf rasch in Vergessenheit geraten sein wird. Demnächst wird sich Santorum demonstrativ hinter Romney stellen, bereits hat er angekündigt, trotz seines Ausscheidens für eine Niederlage Obamas kämpfen zu wollen. Und Santorum hat sich mit seinem Wahlkampf viel Respekt verschafft und könnte in Zukunft durchaus eine wichtigere Rolle in der republikanischen Partei spielen.
Für dieses Jahr aber ist ihm das ganz grosse Happy-End verwehrt geblieben. Er zählt nun zu jener Gruppe von Kandidaten wie Mike Huckabee (2008) oder bei den Demokraten Howard Dean (2004), die aus dem nichts kamen und ihre Partei aufmischten, aber denen die Nomination am Schluss doch verwehrt blieb. Für den Wahlkampf 2012 war Santorum jedenfalls eine Bereicherung. Und als Erinnerung an seine Kampagne sei hier noch einmal an seinen Wahlkampf-Song «Game On» erinnert – keine der zahlreichen im Internet kursierenden Parodien auf das Musikvideo ist bisher auch nur annähernd an das Original herangekommen.
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