Die Golfstaaten wünschen sich nicht weniger, sondern mehr militärisches Engagement der USA
In Washington wird Xi Jinpings Besuch in Saudiarabien mit Sorge verfolgt. Die Amerikaner fürchten einen Verlust an Einfluss am Golf. Welche Rolle sie dort künftig spielen, entscheiden aber nicht die Chinesen, sondern sie selbst.
Sieben saudische Kampfflugzeuge zogen eine Spur in den chinesischen Nationalfarben über den Himmel, als Chinas Präsident Xi Jinping aus seinem Jumbo-Jet in Riad stieg. Entlang der Strassen der saudischen Hauptstadt wehten chinesische Flaggen, und Kronprinz Mohammed bin Salman empfing Xi bei der Ankunft mit einem festen Handschlag. Der Kontrast zu dem unterkühlten Empfang von Joe Biden im August hätte grösser nicht sein können: Damals vermied es der US-Präsident, dem saudischen Thronfolger die Hand zu geben, während bin Salman das Zeremoniell auf das Notwendigste reduzierte.
Der Herrscher in Riad macht kein Geheimnis daraus, dass ihm der Gast aus Fernost deutlich willkommener ist als der alte Verbündete aus dem Westen. Überraschen kann das nicht: Längst ist China der wichtigste Handelspartner des Petrostaats und der grösste Abnehmer seines Erdöls. Anders als die Amerikaner und die Europäer schweigt Peking diskret zum Krieg in Jemen, zur Verfolgung von Dissidenten wie Jamal Kashoggi oder wenn Aktivistinnen wegen eines Tweets zu jahrzehntelanger Haft verurteilt werden.
Saudiarabien dankt es China, indem es sein Narrativ stützt, wonach die massenhafte Inhaftierung der Uiguren in Xinjiang dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus dient. Für Peking ist dies umso bedeutsamer, da Saudiarabien als Hüter der heiligen Stätten des Islam eine besondere Stellung unter den Muslimen hat. Kurzum: Beide Staaten halten sich mit Kritik an der Gegenseite zurück und knüpfen ihre Kooperation nicht an politische Bedingungen.
Sorge vor einem Verlust an Einfluss
In Washington beobachtet man die Annäherung der Saudi an China mit Sorge. Die Presse ist seit Tagen voller Analysen, was der neue Fokus Saudiarabiens und der anderen arabischen Golfstaaten nach Osten bedeutet. Xis Besuch nährt die Befürchtung, dass China die USA als wichtigsten Partner der Golfstaaten ablösen könnte. Dies umso mehr, als das Bündnis mit den USA in einer Krise ist und Saudiarabien Biden jüngst durch die Drosselung der Erdölförderung brüskierte.
Allerdings ist auch klar, dass China die USA als Garant für Sicherheit am Golf nicht ersetzen kann oder will. Auch wenn Peking zur Absicherung des Seehandels nach dem Ausbau seiner Marinebasen im Indischen Ozean strebt, hat es keine Ambitionen, eine grössere Militärpräsenz im Golf aufzubauen. Auch hat China kein Interesse, sich im Kampf mit Iran auf Saudiarabiens Seite zu schlagen und dafür seine engen Wirtschaftsbeziehungen mit Teheran zu opfern.
Zudem ist China als Waffenlieferant keine Option für die Golfstaaten, deren Streitkräfte mit westlichen Waffen ausgerüstet sind und für Munition, Wartung und Ersatzteile auf den Westen angewiesen bleiben. All dies ist den Golfstaaten bewusst. Ihnen geht es denn auch nicht darum, die USA als Partner zu ersetzen. Vielmehr wollen sie Washington dazu bewegen, seiner Rolle als Sicherheitsgarant im Konflikt mit Iran und der Huthi-Miliz in Jemen wieder nachzukommen.
Amerika muss selber entscheiden
So betonte Anwar Gargash, der aussenpolitische Berater des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, vor Xis Besuch, die USA blieben ganz klar der primäre strategische Partner. Um die Partnerschaft für die kommenden Jahrzehnte zu sichern, brauche es jedoch «klare, kodifizierte und unzweideutige Zusagen». Es hängt also nicht von China ab, ob die USA auch künftig die führende Militärmacht am Golf bleiben, sondern von ihrer Bereitschaft, sich weiter zu engagieren.
Dass dieses Engagement noch immer Sinn macht, wird aber in Washington zunehmend in Zweifel gezogen. Zwar haben die USA nach wie vor ein Interesse an der Stabilität der Golfregion und der Eindämmung Irans. Allerdings stellt sich die Frage, ob die USA weiterhin mit Zehntausenden von Soldaten für die Sicherheit von Staaten bürgen wollen, die ihre Werte nicht teilen und sich zusehends weniger um das amerikanische Interesse an einem niedrigen Ölpreis kümmern. Die Antwort auf diese Frage können nur die Amerikaner selber geben.
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