Alone from Here: Of the Trans-Atlantic West, Only Europe Remains

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Von hier an allein: Vom transatlantischen Westen ist nur noch Europa übrig

Mehr als drei Tage nach der „Shock and Awe“-Pressekonferenz im Weißen Haus, dieser rechtslibertären Boys-Club-Bully-Runde, versucht die halbe Welt noch immer, die Scherben einer zerschlagenen Beziehung aufzukehren. Als „zwei Mafiosi“ auf „unterstem Niveau“ bezeichnete Luxemburgs Ex-Außenminister Jean Asselborn den US-Präsidenten Trump und dessen Vize Vance am Montagmorgen beim Radiosender 100,7. Eine politische Kultur im Niedergang, kommentierte Kollege Guy Kemp an dieser Stelle völlig richtig. Auch Premier Luc Frieden meldete sich gleich am Wochenende zu Wort – mit Tränen über das zerrüttete transatlantische Verhältnis und einer Beschwörung europäischer Solidarität.

Dass da etwas Großes, Bedeutendes kaputtgegangen ist, dass eine schleichende, langsame Entwicklung am vergangenen Wochenende einen radikalen Satz gemacht hat, darüber sind sich alle einig. Nur wie genau man darauf antworten soll, aus europäischer Sicht, das ist weniger klar. Noch herrscht zu viel „Awe“ nach dem „Shock“. Auf nationaler Ebene hat Premier Frieden angekündigt, in den kommenden Tagen Gespräche mit allen Parteien zu suchen, die im Parlament vertreten sind, um mit ihnen über das Thema Sicherheitspolitik zu sprechen. So weit, so gut. Europäische Einigkeit beginnt im Kleinen. Am Montag besuchte der Premier auch die außenpolitische Kommission der Chamber. Radikal Neues gab es danach nicht zu vermelden. Man ist sich einig, dass Luxemburg mehr für seine Verteidigung ausgeben muss. Aber gleich noch mehr als zwei Prozent vom Bruttonationalprodukt? Überhaupt erst mal dahin zu kommen, ist ja schon eine Hausnummer.

Es drängt sich die Frage auf: Geht das wirklich weit genug? Und es dämmert die Antwort: Es wird dieses Mal nicht mehr mit Solidaritätsbekundungen und „We stand with Ukraine“-Sharepics auf Social Media getan sein. Man muss das einmal so endgültig aufschreiben, um die Handlungsnot wirklich zu begreifen: Die USA haben sich vom Westen verabschiedet. Die Schutzmacht von Demokratie und Freiheit des 20. Jahrhunderts hat die regelbasierte Ordnung hinter sich gelassen und sich auf die Seite derer geschlagen, die Macht als Ordnungsprinzip verfolgen. Putin und Xi begrüßen das neue Mitglied. Für den deutschen Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat Europa nur zwei Optionen: „ein eigenständiger politischer Akteur zu werden, der sich im Widerstreit mit den großen Mächten behaupten kann, oder ein williger Befehlsempfänger der Vorgaben aus Washington oder Moskau zu werden“. Europa muss also in aller Schnelle nur das schaffen, was ihm seit Jahren nicht gelingt.

Der Verlust von fundamentalen Gewissheiten braucht grundlegend neue Ideen. Bislang schwirren jedoch viele wohlbekannte Floskeln durch den Äther. Frieden betont die Vergangenheit und das Recht. Zwei Dinge, auf die man sich mit den heutigen USA nicht mehr verlassen kann. Europa dürfe nicht wanken. „Es geht um unsere Sicherheit und um die Prinzipien des internationalen Rechts.“ Die USA seien nicht nur ein zentraler Handelspartner, sondern auch ein essenzieller Verbündeter in der NATO, so Frieden. Aber sind sie das noch? Sollte man noch auf den Bündnisfall-Paragrafen bauen? Und wie genau funktioniert das Spiel, wenn nur einer der Mitspieler sich an die Regeln hält und die anderen machen, was sie wollen?

Mit diesen Fragen steht Europa von hier an allein da. Die USA haben sich aus dem Westen verabschiedet. Für die EU beginnt eine historische Woche. Am Donnerstag treffen sich die Staatschefs zum Sondergipfel in Brüssel. Es geht um die Ukraine-Unterstützung und die europäische Verteidigung. Es braucht nun mehr als die übliche Performance. Es braucht etwas, was in seiner Strahlkraft der Abkehr der USA von der gemeinsamen Wertesphäre ebenbürtig ist. „Es ist die Stunde Europas“, sagt Luc Frieden. Hoffentlich behält er recht.

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