Wrong Helpers for Escape

Published in Süddeutsche Zeitung
(Germany) on 25 June 2013
by Nicolas Richter (link to originallink to original)
Translated from by Sandra Alexander. Edited by .

Edited by Gillian Palmer

 

The flight of Edward Snowden is also a political journey. It tells as much about the condition of the world as the condition of America. The more international borders Snowden gets across, the more the moral boundaries lapse. His escape helpers are no heroes, but instead remain the authoritarian figures that they always were.

Edward Snowden is traveling around the world in search of what is known in his home country as a “safe haven.” It is a flight from U.S. searchers, but also a political journey that tells as much about the condition of the world as it does about the condition of America.

However the journey of former National Security Agency (NSA) assistant Snowden might end, the U.S. doesn’t look good as the self-appointed leader of the free world. Apparently a global alliance has formed to rescue a whistle-blower from Washington’s merciless prosecutors. The more international borders Snowden gets across, the more the moral boundaries lapse. Snowden as a hero? The U.S. as the villain? Vladimir Putin as the good shepherd?

To begin with Snowden: Morally, the 30-year-old is in the best position among all involved parties. He may have violated criminal law, but this wrong could be squared by the informational service that he provided. Like all whistle-blowers, he may be driven by vanity, but there is much in favor of seeing him as a hero in spite of his weaknesses and contradictions. He made it possible for the U.S. public to see more clearly.

For now, Snowden is different from WikiLeaks founder Julian Assange. Both are united by a correct insight: The government knows too much about its citizens, the citizens too little about their government. Assange, however, is under suspicion of alleged sexual offenses and refuses to cooperate with investigators. Those who reveal secrets must at times break laws; they may not lay claim to immunity their whole lives.

Snowden’s flight helpers, at any rate, are no heroes, but instead remain the authoritarian figures that they always were. It was a political decision of the half-democratic Russian government and the not-at-all democratic Chinese government to let him pass. Both nations are not interested in constitutionality and transparency, but instead in having their own dissidents under control. Arresting Snowden would have led to unnecessary unrest.

In addition, of course, there is enormous malicious pleasure. The U.S. has just recently made a declaration to the Chinese that one should tolerate dissidents and not hack U.S. computers. Now the Americans are hunting for a dissident who, incidentally, revealed how deeply U.S. spies are hacking into Chinese computers. Russia’s President Putin also has quite a few outstanding accounts to settle with the Americans. Beijing and Moscow are united by the dislike of Washington putting forward standards that it does not hold itself to.

A further copycat is Ecuador’s President Rafael Correa: He bullies critical media at home but plays the friend of transparency when he offers asylum to Assange and perhaps also Snowden. This reveals his convictions only so far as he finds the U.S. arrogant and wants to make it look a little bit like the fool.


Die Flucht von Edward Snowden ist auch eine politische Reise. Sie erzählt vom Zustand der Welt so viel wie vom Zustand Amerikas. Je mehr Landesgrenzen Snowden überwindet, desto mehr verfließen die moralischen. Seine Fluchthelfer sind keine Helden, sondern bleiben die autoritären Figuren, die sie immer waren.

Edward Snowden reist um die Welt auf der Suche nach dem, was sie in seiner Heimat einen safe haven nennen, einen sicheren Hafen. Es ist eine Flucht vor US-Fahndern, aber auch eine politische Reise, die vom Zustand der Welt so viel erzählt wie vom Zustand Amerikas.

Wie auch immer die Reise des früheren NSA-Zuarbeiters Snowden endet: Die USA sehen als selbsternannte Führer der freien Welt nicht gut aus. Anscheinend hat sich eine globale Allianz gebildet, um einen Whistleblower vor Washingtons erbarmungslosen Vollstreckungsbeamten zu retten. Je mehr Landesgrenzen Snowden überwindet, desto mehr verfließen die moralischen. Snowden als Held? Die USA als Schurke? Wladimir Putin als guter Hirte?

Um bei Snowden zu beginnen: Moralisch hat der 30-Jährige unter allen Beteiligten den besten Stand. Er dürfte gegen Strafgesetze verstoßen haben, aber dieses Unrecht könnte ausgeglichen werden durch den aufklärerischen Dienst, den er geleistet hat. Wie alle Whistleblower mag ihn Eitelkeit antreiben, aber es spricht viel dafür, ihn trotz seiner Schwächen und Widersprüche als Helden zu sehen. Er hat es nicht nur der US-Öffentlichkeit ermöglicht, klarer zu sehen.

Vorerst unterscheidet sich Snowden damit von dem Wikileaks-Gründer Julian Assange. Beide eint eine richtige Erkenntnis: Der Staat weiß zu viel über seine Bürger, die Bürger zu wenig über ihren Staat. Assange aber steht wegen mutmaßlicher sexueller Delikte unter Verdacht und verweigert sich den Ermittlern. Enthüller müssen zuweilen gegen Gesetze verstoßen; sie dürfen aber nicht für ihr ganzes Leben Immunität beanspruchen.

Snowdens Fluchthelfer allerdings sind keine Helden, sondern bleiben die autoritären Figuren, die sie immer waren. Es waren politische Entscheidungen der halbdemokratischen russischen Regierung und der gar nicht demokratischen chinesischen Regierung, ihn ziehen zu lassen. Beide Staaten interessieren sich nicht für Rechtsstaatlichkeit und Transparenz, sondern dafür, ihre eigenen Dissidenten im Griff zu haben. Eine Verhaftung Snowdens hätte nur unnötige Unruhe erzeugt.

Dazu kommt freilich enorme Schadenfreude. Die USA haben den Chinesen erst jüngst erklärt, dass man Andersdenkende dulden und keine US-Computer hacken sollte. Nun jagen die Amerikaner einen Andersdenkenden, der nebenbei enthüllt, wie tief US-Spione in Chinas Computer eindringen. Auch Russlands Präsident Putin hat etliche Rechnungen mit den Amerikanern offen. Peking und Moskau eint der Widerwille dagegen, dass Washington für Standards eintritt, an die es sich selbst nicht hält.


Ein weiterer Trittbrettfahrer ist Ecuadors Präsident Rafael Correa: Er schikaniert zu Hause zwar kritische Medien, spielt aber den Freund der Transparenz, wenn er Assange Asyl gewährt und vielleicht auch Snowden. Dies verrät Correas Überzeugungen nur insoweit, als er die USA arrogant findet und sie ein bisschen vorführen möchte.

Amerika also. Unter allen genannten Ländern sind die USA dasjenige, in dem der Mensch die größte Freiheit besitzt zu sagen, was er will, selbst größten Unsinn. Andererseits hat der 11. September 2001 das Land nachhaltig verändert. Die Furcht vor neuem Terror spukt immer noch in den Köpfen der meisten Bürger und all jener, die in Washington Verantwortung tragen. Aus ihrer Sicht ist die maßlose Spionage der NSA notwendig. Das Volk ist bereit, einige geliebte Freiheiten aufzugeben für das Gefühl größerer Sicherheit.

Das aber macht die Verheimlichung der NSA-Programme nur verstörender. Statt darüber aufzuklären, zumindest in groben Zügen, erliegt die US-Regierung einem paranoiden Hang zu Verheimlichung. Das gilt sogar für die Aufarbeitung der Vergangenheit: Die Angeklagten in Guantanamo dürfen nicht öffentlich erzählen, was jeder weiß - dass sie gefoltert wurden. Regierungen brauchen Geheimnisse, sie brauchen vertrauliche Debatten, für Politikfindung, für Ermittlungsverfahren, für Spionagetechnik. Aber Regierungen haben nicht das Recht, die großen Linien zu verheimlichen. Präsident Barack Obama regiert nach einer seltsamen Maxime: Ich tue viel von dem, was George W. Bush tat, aber mir könnt ihr vertrauen, weil ich es tue. So viel Vertrauen aber verdient nicht einmal Obama.

Man kann aus dem Fall Snowden drei Lehren ziehen: Amerika, aber auch etliche Verbündete, überwachen zu viel, verheimlichen zu viel und haben keinen angemessenen Umgang mit jenen gefunden, die solche Exzesse aufdecken. Etwas stimmt nicht, wenn Whistleblower das Wohlwollen Chinas oder Correas brauchen, um einen sicheren Hafen zu finden.
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