Our Friends, Our Enemies

Published in Frankfurter Rundschau
(Germany) on 6 July 2014
by Christian Schlüter (link to originallink to original)
Translated from by Ron Argentati. Edited by Laurence Bouvard.
“Enough, already!” Bundes President Gauck has finally asserted himself and deserves our support. But why so late? It shouldn't have taken a U.S. attack on Germany's spying investigation on the National Security Agency — an investigation being carried out by the German parliament, a part of our sovereign democracy.

This surveillance by an Anglo-Saxon super-Stasi is already total and comprehensive, i.e. without limits. The revelation that an employee of the German government intelligence agency BND is involved is just confirmation that the intelligence services are not only becoming involved in questionable “democratic” activities, but in activities decidedly hostile to democracy.

We've known this ever since Edward Snowden's revelations — and the German government has done virtually nothing about it. Their continuing inactivity is the handwriting on the wall, warning us that we are doing away with our own democracy. All the more important now is the question of the consequences of our government's failure. On that subject, here are three observations to be considered:

- Verbal acrobats in various government offices have knocked themselves out to depict the spying between Germany and the U.S. as activities between friends that have had no material effect on their relationship. There was mention of a “clouding” of the friendship, of disappointment, burdens, low points and cooling, but nothing more because neither side was willing to risk more serious ramifications, such as looking at the attacks on our constitution, our liberties and human rights. This alliance now appears to be such a brazen end unto itself that it won't tolerate external criteria.

- The obvious perversion — our constitutional rights aren't absolute but fealty to the alliance — is astonishing, frightening and will eventually become irreversible. Our constitutional rights are being sacrificed in the name of a trans-Atlantic alliance that is not only an alliance of liberal values, but above all, a geostrategic association, i.e., a power alliance. The experienced trans-Atlanticist will argue that without a defensible power base, there can be no protection of our democratic achievements. That's a valid objection, but it fails to take into account that an increasingly eroding system of values is no longer worth defending: Who wants to defend a broken promise — i.e., a lie — and for what reason?

- The complete political failure of our government on this issue has fatal consequences: We, the people, have been not only abandoned to a super strong intelligence service, but also convinced that we don't even have any personal rights because they have been sacrificed on a higher altar of interests that have been stripped of democratic control.

Negotiable Constitutional Rights

Basic liberties have been reduced to negotiable entities dependent on the political climate. The trans-Atlantic values alliance — the community of democracies — now appears to have been patterned after a Disney theme park or a Potemkin village, and have morphed into a huge “what if?” scenario. But let's be real and admit that a society without guaranteed civil rights isn't a society at all.

Against this backdrop, here are three suggestions as to where we go from here:

- Introduce hostility as a political category. Those who won't go so far as to describe the trans-Atlantic alliance in toto as hostile must at least be willing to talk of a clearly hostile dimension to this friendship for the sake of clarity.

- Put Bundes President Gauck in front of a microphone. Recently, the liberty theoretician Gauck accused the Turks of having a freedom deficit, and rightly so. But now, he needs to come to the defense of the German constitution and “enough already” doesn't do the job. He needs a shocker of a speech.

- Grant Edward Snowden asylum in Germany. If the German government no longer wants its “friends” to lead it around by the nose, it needs to broadcast an unmistakable signal of its independence. Snowden would be our revenge, as well as being our star witness in the NSA investigation.


Unsere Freunde, unsere Feinde
Von CHRISTIAN SCHLÜTER

Die Überwachung durch die NSA ist maßlos - auch aus Bad Aibling solle der US-Geheimdienst gelauscht haben. Foto: AFP
Ein Bündnis, in dem ein Partner den anderen total überwacht, hat keine Treue mehr verdient. Es ist Zeit, im Verhältnis zu den USA auch mal von Feindschaft zu reden. Der Leitartikel zur NSA-Spionageaffäre.

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"Jetzt reicht’s auch einmal". Bundespräsident Joachim Gauck hat endlich das Wort ergriffen. Ihm ist durchaus zuzustimmen. Aber warum reicht es erst jetzt? Es hätte doch nicht erst des Angriffs US-amerikanischer Geheimdienste auf den NSA-Untersuchungsausschuss bedurft, also auf eine Institution des Deutschen Bundestages und damit auf den Souverän unserer Demokratie.

Die Überwachung durch die angelsächsische Super-Stasi ist ohnehin schon total, das heißt maßlos. Dass ihr nun ein BND-Mitarbeiter behilflich gewesen sein soll, mit dem Angriff auf das Parlament auch den normativen Kern, ja den Inbegriff, das Symbol eines jeden demokratischen Gemeinwesens zu treffen, ist bloß noch eine Bestätigung, gewissermaßen das i-Tüpfelchen: Die Geheimdienste bewegen sich nicht mehr nur in außerdemokratischen Sphären, sondern gehen dezidiert demokratiefeindlich vor.

Seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir das. Und seit den Enthüllungen von Edward Snowden tut die Bundesregierung – fast nichts. Ihre fortgesetzte Untätigkeit wird zum Menetekel der Selbstabschaffung unserer Demokratie. Umso dringlicher stellt sich die Frage, was aus dem offenkundigen Staatsversagen folgt. Dazu drei Beobachtungen und drei Denkanstöße.

1. Sprachakrobaten in regierungsamtlicher Mission haben große Anstrengungen unternommen, das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA unbeirrt von allen spionagebedingten Verwerfungen als Freundschaft zu bezeichnen. Da war allenfalls von einer Trübung der Freundschaft die Rede, von Enttäuschungen und Belastungen, von Tiefpunkten und Abkühlungen. Eine deutlichere, zumindest rhetorische Absetzung – weit entfernt von allen weitergehenden, eher handfesten und damit wirklich folgenreichen Distanzierungen – wollte man nicht riskieren. Denn sonst wäre ja auch das transatlantische Bündnis in Hinblick auf die mit ihm verbundenen Angriffe auf unsere Verfassung, auf Freiheitsrechte und Menschenwürde kritisch zu befragen. Dieses Bündnis scheint wie ein eherner Selbstzweck keinen äußeren Kriterien mehr unterworfen zu sein.

2. Die offenkundige Verkehrung – nicht mehr unsere Grundrechte gelten absolut, sondern die Bündnistreue – ist erstaunlich, erschreckend und irgendwann auch unumkehrbar. Unsere Bürgerrechte werden geopfert im Namen des transatlantischen Bündnisses, das nicht nur eine Gemeinschaft freiheitlicher Werte ist, sondern vor allem ein geostrategischer Interessenverband, also ein Machtbündnis. Erfahrene Transatlantiker werden einwenden, dass ohne eine wehrhafte Machtbasis kein Schutzraum für unsere demokratischen Errungenschaften bestehen kann. Das ist ein richtiger Einwand, verkennt allerdings, dass eine zunehmend erodierende Wertebasis auch nicht mehr schützenswert ist: Wer möchte denn mit welchen Gründen ein entleertes Versprechen, also eine Lüge noch verteidigen?

3. Der politische Totalausfall unserer Regierung an eben dieser Stelle hat fatale Konsequenzen: Wir, die Bürger, werden nicht nur mit einem übermächtigen Geheimdienst alleingelassen, sondern auch daran gewöhnt, dass uns nicht einmal unsere Rechte noch gehören, weil sie jederzeit auf dem Altar höherer, der demokratischen Kontrolle entzogener Interessen geopfert werden können.

Grundrechte als Verhandlungssache
Grundrechte werden zur Verhandlungssache – abhängig von politischen Konjunkturen. Das transatlantische Wertebündnis, die Gemeinschaft der Demokratien scheint sich nach dem Vorbild von Disney World oder Potemkin’schen Dörfern zu verändern – und mutiert zu einem einzigen großen Als-ob. Doch bleiben wir sachlich und stellen einfach fest: Ein bürgerliches Gemeinwesen ohne garantierte Bürgerrechte ist keins.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei Vorschläge, was jetzt zu tun ist.

1. Einführung der Feindschaft als politische Kategorie. Wer wegen der sogenannten Wertegemeinschaft vor der Konsequenz zurückschreckt, das transatlantische Verhältnis in toto als Feindschaft zu beschreiben, der wird der Klarheit wegen zumindest von einer deutlich feindlichen Dimension innerhalb dieser Freundschaft sprechen müssen.

2. Bundespräsident Joachim Gauck ans Mikrofon. Unlängst hielt der Freiheitspathetiker Gauck den Türken ihre Demokratiedefizite vor. Vollkommen zu Recht. Doch nun muss er für die Verteidigung unserer freiheitlichen Grundordnung das Wort ergreifen, ein „Jetzt reicht’s“ reicht nicht aus – eine Ruck-Rede der Freiheit muss es schon sein.

3. Asyl für Edward Snowden in Deutschland. Wenn sich die Bundesregierung nicht länger von ihren „Freunden“ vorführen lassen will, dann muss sie mit einem deutlichen Signal auf ihrer Eigenständigkeit bestehen. Snowden wäre unsere Rache und vor allem ein wichtiger Zeuge bei der Aufklärung im NSA-Untersuchungsausschuss.
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