How the US Went From ‘Older Brother’ to ‘Big Brother’

Published in Berliner Zeitung
(Germany) on 10 July 2014
by Holger Schmale (link to originallink to original)
Translated from by Ron Argentati. Edited by Laurence Bouvard.
Saying goodbye to a great love is always painful, even if both promise they will always remain close friends. That's a bit how it is with the relationship between Germany and the United States.

How greatly did we (West) Germans worship the Americans after World War II, or more recently, ever since our occupiers became our protectors first and finally, our friends. Of course, there were occasional low points in the relationship: the war in Vietnam and again with the invasion of Iraq, not to mention the whole George W. Bush administration, for example. However, a new wave of sympathy always followed these, most recently with the election of Barack Obama as president.

However, there's a difference between what the U.S. does in other parts of the world — in Afghanistan, the Middle East, Guantanamo — and when we suddenly find ourselves a victim of U.S. activities where we previously thought of ourselves as their friends and partners: That's how it currently is in Germany.

Many Germans, and most of all Chancellor Merkel, find themselves waking from a delusion. We recognize that all those pretty speeches about close ties and shared values — or simply put, the much-vaunted German-American relationship — don't count for much, except when they apply only to American superpower interests. The much-idolized great love turns out to be just a frigid, despicable egoist.

The estrangement between the two nations has been going on for quite some time, beginning shortly after that fateful day: Sept. 11, 2001. Germany, more than anyone else, showed a deeply rooted solidarity with the United States, which then-Chancellor Gerhard Schröder unwisely characterized as "unconditional," but then, he ran into a totally different mood among his own people.

Many Germans thought this was an opportunity to pay back some of the solidarity they had enjoyed from the U.S. in the post-World War II era, only to be rejected because President George W. Bush and his ideologically blinded advisors didn't see the change in attitude in much of the world as any reason to shift to a more cooperative foreign policy. Instead, they exploited the global situation in order to consolidate their own position as the world's only remaining superpower.

Then came the drama of the Iraq invasion, which Gerhard Schröder initially supported. Angela Merkel had a different opinion. For the former East German resident, the U.S. had always been her dream destination. After the Berlin Wall fell, her first trip was to California, but this too became the start of the great disappointment she is experiencing today.

When she became chancellor, relations between Germany and the U.S. relaxed, and she even got along well with George W. Bush; Obama took an even more internationally oriented course. Hope arose that America under Obama was coming to its senses and returning to its previous values of democracy, liberty, and the welfare of its citizenry, but those hopes were dashed when they collided with the Washington power structure. The old adage held for Obama as it had for all other presidents: The man doesn't change the office; the office changes the man.

This was never more clearly shown than his approval of, if not outright order for, Osama bin Laden's assassination. Those who prefer to kill their enemies rather than arraign them in a court of law distance themselves further from the basic tenets of a constitutional government than the physical distance between Washington and Berlin. Merkel's public approval of the assassination was a declaration of loyalty to the U.S. that Obama rewarded with the medal of freedom and a pretty speech, but nothing changed his government's lack of respect for an ally to whom he only paid ample lip service at the time.

The Merkel government has been asking for explanations of America's espionage activities in Germany and has repeatedly been put off and conned. Meanwhile, the U.S. intelligence community simply continues with its espionage activities. It's typical for our government that they are quick to get angry, but it has since come to light that its agents have been investigating their own people. What's with the wholesale spying on German citizens?

The American "older brother," who first gave a helping hand to little Germany, has long since become "Big Brother," the omnipresent guard. The German government now realizes that as well. The expulsion of a U.S. agent is the first symbolic act. Germany has begun to replace its naïve, fanciful trust of the U.S. with a sober and serious attitude, as painful as that may be.


Wie der große Bruder USA zum „Big Brother“ wurde
Von Holger Schmale
10.07.2014

Der NSA-Spionageskandal reißt klaffende Wunden in das deutsch-amerikanische Verhältnis. Aus dem großen, ja beschützenden Bruder USA ist längst „Big Brother“ geworden, der allgegenwärtige Überwacher. Das hat schmerzhafte Folgen.


Abschied nehmen von einer großen Liebe ist schmerzhaft. Selbst wenn man sich verspricht, einander nah zu bleiben. Ein wenig steht es so um das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA.

Wie sehr haben die (West-)Deutschen die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg verehrt, spätestens, als aus den Besatzern immer mehr Beschützer und schließlich Freunde wurden. Es gab auch Tiefpunkte der Zuneigung, während des Vietnamkriegs, während des Irakkriegs und der Regentschaft von George W. Bush zum Beispiel. Doch darauf folgte immer die nächste Sympathiewelle, zuletzt mit der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten.

Es ist aber ein Unterschied, ob man sich über die Politik der USA irgendwo auf der Welt erregt, in Afghanistan, im Nahen Osten, in Guantanamo. Oder ob man sich plötzlich selbst als Opfer dieser Politik erkennt, wo man sich doch als Freund und Partner empfunden hat. So ist das jetzt in Deutschland.

Viele Bürger, vor allem aber die Kanzlerin, erwachen gerade aus einer Illusion. Sie erkennen, dass all die schönen Reden über die besonders engen Beziehungen, über die gemeinsamen Werte, schlicht: über die viel gerühmte deutsch-amerikanische Freundschaft dann nichts mehr wert sind, wenn es um die Interessen der Supermacht USA geht. Die angehimmelte große Liebe entpuppt sich als recht kühle, schnöde Egoistin.

Dabei währt die Entfremdung zwischen beiden Ländern schon lange, sie begann wenige Monate nach dem Schicksalstag 11. September 2001. Damals demonstrierten die Deutschen mehr als alle anderen ihre tief empfundene Solidarität mit den USA, die der Kanzler Gerhard Schröder unvorsichtig sogar bedingungslos nannte. Aber er traf damit eine Stimmung im Land.

Weiterer US-Spion aufgeflogen

Viele Deutsche glaubten, sie könnten den Amerikanern nun etwas von der nach dem Zweiten Weltkrieg erfahrenen Solidarität zurückgeben – und fühlten sich abgewiesen. Denn Präsident George W. Bush und seine ideologisch verblendeten Berater nahmen diese zugewandte Grundstimmung in vielen Teilen der Welt nicht zum Anlass für eine Wende hin zu einer kooperativeren Politik. Sie haben sie vielmehr ausgenutzt, um ihre Position als nur im eigenen Interesse handelnde Supermacht zu stärken.

Es folgte das Drama um den Irak-Krieg, als Schröder den USA erstmals in einer Grundsatzfrage die deutsche Gefolgschaft aufkündigte. Angela Merkel war damals anderer Meinung. Für die DDR-Bürgerin Merkel waren die USA immer der Sehnsuchtsort, ihre erste Auslandsreise nach dem Mauerfall führte sie nach Kalifornien. Auch hier liegt eine Ursache für ihre heutige große Enttäuschung.

Als sie Kanzlerin wurde, entspannte sich das Verhältnis, sie kam sogar mit George W. Bush gut aus. Und Obama schlug dann tatsächlich einen international verträglicheren Kurs ein. Die Hoffnungen auf eine Besinnung der USA auf ihre alten Grundwerte der Demokratie, Freiheit und Wohlfahrt für alle wuchsen, um dann an den Macht- und Mehrheitsverhältnissen in Washington zu zerschellen. Auch für Barack Obama gilt: Ein US-Präsident verändert das Amt weniger, als dass es ihn verändert.

Ein Kristallisationspunkt, an dem dies deutlich wie selten wurde, war die von ihm gebilligte, wenn nicht gar angeordnete Tötung Osama bin Ladens. Wer den Feind lieber tötet, als ihn vor Gericht zu stellen, ist so weit von den Grundregeln eines Rechtsstaates entfernt wie Washington von Berlin. Die damals von Merkel verkündete Genugtuung über die Tat war noch einmal eine Ergebenheitsadresse an die USA, die der Präsident mit der Freiheitsmedaille und einer schönen Rede belohnte. An dem mangelnden Respekt seiner Regierung gegenüber dem befreundeten Deutschland, wie er sich in diesen Tagen überdeutlich offenbart, änderte das nichts.


Seit einem Jahr bemüht sich die Merkel-Regierung um Aufklärung der Spionageaktivitäten der USA in Deutschland und ist immer wieder hingehalten und verladen worden. Die US-Geheimdienste spitzelten einfach weiter. Dabei ist bezeichnend für diese Regierung, dass ihre Empörung erst so richtig entflammt, seit klar ist, dass auch Agenten auf sie selbst angesetzt sind. Was ist dagegen schon die massenhafte Ausspähung der Bürger?

Aus dem großen Bruder USA, der einst schützend seine Hand über das kleine Deutschland hielt, ist längst „Big Brother“ geworden, der allgegenwärtige Überwacher. Das erkennt jetzt auch die Bundesregierung. Die Ausweisung des zuständigen Geheimdienstmannes ist ein erster symbolischer Akt. Sie beginnt, ihr naives, schwärmerisches Vertrauen durch eine nüchterne Haltung gegenüber den USA zu ersetzen. Auch wenn es schmerzt.
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