Fear of the New AmeriKKKa

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Die Angst vor dem neuen AmeriKKKa

VON THORSTEN SCHRÖDER

27. November 2014

Der Ku-Klux-Klan versucht, aus den Ereignissen in Ferguson Kapital zu schlagen. Doch viel ist von der einst einflussreichen rechten Organisation nicht mehr übrig.

Die Grand Jury in Ferguson hatte ihre Entscheidung noch nicht getroffen, da hatten sich die beiden Gruppen im Netz längst in Stellung gebracht. “Alles, was ihr hochladet, werden wir runternehmen, jeden Kanal, den ihr verwendet, um den KKK zu bewerben, werden wir abschalten”, schrieben die Aktivisten von Anonymous in einem offenen Brief auf der Seite Pastebin. “Seid friedlich, oder ihr werdet die Konsequenzen spüren.” Zuvor hatten die Traditionalist American Knights of the Ku Klux Klan, eine Splittergruppe des Ku-Klux-Klan in Missouri, den Demonstranten in Ferguson auf Flugzetteln mit Gewalt gedroht, sollten diese wieder auf die Straße gehen.

Die Hacker hatten daraufhin die Kontrolle über mehrere Twitter-Konten des Ku-Klux-Klan übernommen und der Gruppierung den offenen Krieg erklärt. Anonymous hackte sich in E-Mail-Konten ein und stellte Namen und Telefonnummern von führenden Mitgliedern online. Selbst vermeintliche Verbindungen zwischen dem Klan und dem örtlichen Polizeirevier machte die Gruppe öffentlich. Innerhalb kürzester Zeit wurde die “Operation Ku Klux Klan” unter #OpKKK zum trending topic auf Twitter.

Seit Ferguson wieder ins Bewusstsein der amerikanischen Öffentlichkeit gerückt ist, hat auch der Ku-Klux-Klan die Chance erkannt, Aufmerksamkeit zu erregen. Gruppierungen des Klans sammelten Gelder für die Verteidigung von Darren Wilson und sprangen dem Polizisten zur Seite. Dass der Bund bis heute im amerikanischen Bewusstsein ist, zeigen auch die Protestmärsche in New York, Chicago oder Boston in den vergangenen Tagen. Immer wieder sieht man hier Schilder, auf denen die Demonstranten vor “AmeriKKKa” warnen. Die Demonstrationen, brüstete sich Frank Ancona, einer der prominentesten Köpfe der Bewegung, hätten zu einem “Ansturm” an neuen Mitgliedern geführt.

Zerstrittene Gruppen

Kenner der Szene halten das vor allem für Propaganda. Denn von dem Ku-Klux-Klan, wie man ihn aus dem frühen 20. Jahrhundert kennt, von den Übergriffen und öffentlichen Massakern im Süden Anfang des vergangenen Jahrhunderts, ist heute kaum noch etwas übrig. “Die Geschichte des Ku-Klux-Klans in den vergangenen Jahrzehnten ist eine des stetigen Abstiegs”, sagt Mark Pitcavage von der jüdischen Bürgerrechtsorganisation Anti-Defamation League in Washington, die den Klan seit Jahren beobachtet.

Inzwischen gibt es je nach Schätzung in den USA zwischen 36 und 160 verschiedene Gruppierungen. “Wir sprechen zwar der Einfachheit halber von dem Klan, aber das trifft es schon lange nicht mehr”, so Pitcavage. Die einzelnen Gruppen teilten häufig nicht viel mehr als den Namen. Selbst die größten der Splittergruppen haben heute nicht mehr als hundert Mitglieder. Der Abstieg hat viele Gründe. Es gebe inzwischen zahlreiche Alternativen für Menschen mit ähnlichen Ansichten zu Einwanderung und Rassentrennung. “Und diese Optionen haben nicht den historischen Beigeschmack, den ein eher altmodisch wirkender Ku-Klux-Klan hat.”

Seite 2/2: Lautstark im Netz

Das war nicht immer so. In den Blütejahren der Gruppierung zwischen 1910 und 1944 wuchs der Ku-Klux-Klan auf vier Millionen Mitglieder an. Einwanderungswellen aus Europa, die Angst vor dem Kommunismus und der Umzug der schwarzen Bevölkerung aus dem ländlichen Süden in den städtischen Norden trieben viele in die Arme der Organisation. Der Ku-Klux-Klan kam, ähnlich wie in den vergangenen Jahren die Tea Party, aus dem Nichts und gab der Frustration vieler Amerikaner einen Zufluchtsort. Innerhalb weniger Jahre wurde der Klan zu einer ernst zu nehmenden politischen Macht. Führende Politiker und öffentliche Figuren wie Hugo Black, Richter am Obersten Gerichtshof, übten öffentlich den Schulterschluss mit der Organisation. Selbst die Nähe des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Warren G. Harding zum Klan war kein Geheimnis – und schadete ihm im Kampf um das Weiße Haus nicht.

Doch mit den Erfolgen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung verlor der Klan zunehmend an Bedeutung. Interne Machtkämpfe, Korruption und eine zunehmend unbeliebte Agenda rissen die Gruppierung auseinander. Die einzelnen Gruppen begannen, sich gegenseitig Mitglieder abzujagen und Nähe zu liberalen Gruppen vorzuwerfen. Bei den wenigen öffentlichen Protestaktionen, wie im Frühjahr in Memphis gegen die Umbenennung mehrerer Parks mit Namen von frühen Befürwortern der Rassentrennung, schreien sich die verschiedenen Gruppierungen nicht selten gegenseitig nieder. “Der Ku-Klux-Klan befindet sich heute am äußersten Rand der amerikanischen Gesellschaft”, so Pitcavage. Verbindungen zur Politik oder Polizei seien bestenfalls Einzelfälle, bei denen die betroffenen Beamten umgehend entlassen würden.

Der Klan setzt auf kostenlose PR und das Internet

Stattdessen beschränken sich die Gruppen auf das Verteilen von Flugblättern. Erst im Sommer sorgten Streitschriften in Long Island für Schlagzeilen, auf denen die Gruppe Loyal White Knights of the Ku Klux Klan offen gegen Einwanderer aus Mittel- und Südamerika hetzte und vor der Unterdrückung der weißen Rasse warnte. Lokale Fernsehsender berichteten über die rechte Bedrohung, auch die New York Times griff die Geschichte auf.

Genau auf diese Aufmerksamkeit spekuliere der Klan, sagt Mark Pitcavage. Die Gruppen wüssten, dass die Anwohner die Zettel an die Polizei meldeten und die Medien die Aktionen umgehend aufgriffen. Der Klan sieht das als kostenlose PR. “Solche Aktionen sind aber vor allem ein weiteres Zeichen purer Verzweiflung”, sagt der Experte. Denn die Köpfe hinter den Gruppen wüssten, dass sie längst nicht mehr die nötige Schlagkraft besitzen, um tatsächlich auf die Straße zu gehen.

Online ist die Gruppe dagegen umso lauter. “Wir lesen die ganze Zeit etwas von leeren Drohungen, aber bisher ist nichts passiert #Angsthasen”, schrieb die Gruppe, nachdem sie die Kontrolle über ihren Twitter-Account vorübergehend zurückgewonnen hatte. Man werde, polterte der KKK in gewohnter Manier in einem offenen Schreiben, den Aktivisten “die Masken vom Gesicht reißen” und die Körper der “Möchtegernaktivisten neben den Schimpansen aufknöpfen”.

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