Europa muss lernen
Die EU-Staaten müssen das Verhältnis zu den USA gestalten. Dafür sollten sie deutlicher sagen, was sie wollen. Der Leitartikel.
Es ist zwar nachvollziehbar, dass Frankreich ein geplantes Treffen mit den USA, Großbritannien und Deutschland am Rande der UN-Generalversammlung wegen des Streits über den indopazifischen Sicherheitspakt hat platzen lassen. So zeigt die Regierung von Emmanuel Macron erneut deutlich, wie verärgert Paris über den diplomatischen Schaden und den Verlust des Rüstungsgeschäfts mit U-Booten ist. Auf diesem Weg treiben die Franzosen auf diplomatischen Parkett den Preis für eine mögliche Kompensation in die Höhe.
Sinnvoller wäre es aber gewesen, sich mit Briten und Amerikanern auszusprechen. Dabei hätten die europäischen Vertreter aus Deutschland und Frankreich die US-Seite mit deren widersprüchlichen Außenpolitik konfrontieren können.
Europa hat keine gemeinsame Antwort
Denn wenn US-Präsident Joe Biden in seiner Rede vor den Vereinten Nationen gemeinsames Handeln anmahnt, um etwa den Klimawandel zu bewältigen, dann hätten Frankreich und Deutschland an den Mangel an Zusammenarbeit beim Afghanistan-Abzug erinnern und eine gemeinsame Strategie für die weltweite Bewältigung der Corona-Krise erinnern können. Das setzt allerdings voraus, dass die Europäer dies wollen.
Doch die Europäer haben noch immer keine gemeinsame Antwort auf die Politik der Biden-Administration gefunden. Biden will zwar einiges von der Politik seines Vorgängers Donald Trump revidieren, aber er will nicht zurück in eine Zeit vor Trump. Er will sich auch nicht im Klein-Klein verlieren. Er will er den Multilateralismus wieder stärken und bekennt sich deshalb auch zu den UN und zur Nato. Dabei stellt Washington aber er je nach Thema die Partner zusammen.
Die Europäer sind dabei nicht mehr wie einst die wichtigsten Verbündeten, Sie sind ein Partner unter vielen. Die Sicherheit Europas spielt zwar noch eine Rolle für Washington, aber wichtiger ist für die Biden-Administration, Chinas Einfluss einzudämmen. Und so erklärt sich, dass den Vereinigten Staaten das Bündnis zwischen Großbritannien und Australien wichtiger war als der Zwist mit Frankreich und deren europäischen Partnern.
Europa ist in der Lage sich militärisch zu verteidigen
Deutschland und die anderen EU-Staaten sind also gut beraten diese veränderte Rolle endlich anzunehmen und in ihrem Sinne zu interpretieren. Sie sollten die Debatte über eine größere strategische Autonomie nicht nur verbal führen, sondern in praktische Politik umsetzen.
Dabei muss den Europäern nicht bange sein. Im Streit mit der Trump-Regierung über Strafzölle haben die EU-Staaten überraschend eng beieinander gestanden. Das gilt auch für die Brexit-Verhandlungen mit London. Und sie müssen sich auch nicht um eine Sicherheitslücke sorgen. Europa ist in der Lage sich militärisch zu verteidigen – eben auch mit Hilfe der USA und der Nato.
Vielmehr sollten die Europäer im militärischen Bereich ihre Kräfte bündeln und doppelte Ausstattung und damit verbundenen unnötige Ausgaben vermeiden. Denn sie werden alle verfügbaren Mittel benötigen, um den Klimaschutz voranzutreiben, um den nötigen Umbau der Ökonomie sozialverträglich zu gestalten.
Europa muss gemeinsame Ziele definieren
Auch hier sind sie mit ihren Klimaschutzpaket auf dem richtigen Weg. Doch schon heute ist klar, dass der Pakt erweitert werden muss, um die Wende in Verkehr, Landwirtschaft und Wirtschaft hinzubekommen und möglichst bald klimaneutral zu werden.
Zudem müssen die Europäer eine gemeinsame Strategie gegenüber China entwickeln. Es wird nicht reichen, einfach weiter mit Peking Handelsbeziehungen zu pflegen und die Augen vor der teils aggressiven chinesischen Außenpolitik oder des menschenverachtenden Vorgehens Pekings gegen die Uiguren zu verschließen. Man muss dabei nicht so scharf agieren wie die Biden-Administration und China quasi zu einem neuen Feindbild stilisieren. Schließlich wird der Klimaschutz nur mit Peking gelingen.
Für eine gemeinsame Außenpolitik müssen die EU-Staaten allerdings gemeinsame Ziele definieren. Davon sind sie weit entfernt. Derzeit verfolgen verschiedene Hauptstädte unterschiedliche Strategien. Das schwächt die EU aber als ganzes. Peking kann die verschiedenen Länder gegeneinander ausspielen. Ähnliches gilt für die Biden-Administration, die sich Partner für ihre Projekte sucht. Wenn die EU-Staaten dagegen gefeit sein wollen, sollten sie eine gemeinsame Linie entwickeln. (Andreas Schwarzkopf)
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