Trump’s Attempted Coup Cannot Go Unpunished

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Trumps Umsturzversuch darf nicht folgenlos bleiben

Die Empfehlung eines Strafverfahrens gegen den ehemaligen Präsidenten ist ein Tabubruch für die USA. Eine Anklage wäre politisch riskant – doch gefährlicher ist, Trump nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Gut sechs Wochen nach seiner Wahlniederlage setzte Donald Trump einen Tweet ab, der sich als besonders verhängnisvoll erweisen sollte. Es sei statistisch gar nicht möglich, dass er verloren habe, behauptete der damalige Präsident und rief zur Protestkundgebung am 6. Januar 2021 in Washington auf. «Seid dabei, es wird wild!»

Dank der juristischen und politischen Aufarbeitung weiss man heute, dass die Botschaft ganz direkt zum Sturm auf das Capitol an jenem Tag beitrug. Postings in diversen Internetforen zeigen, dass rechte Milizen und radikale Trump-Anhänger sie als Aufruf zum Handeln verstanden, notfalls mit Waffengewalt.

Fast 1000 Anklagen – aber keine gegen den Anstifter?

Es ist deshalb symbolträchtig, dass auf den Tag genau zwei Jahre später die Untersuchungskommission des Repräsentantenhauses ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten empfiehlt. Damit ist eine Anklage Trumps zwar immer noch in weiter Ferne. Nur das Justizministerium kann eine solche erheben. Doch es ist ein weiterer Schritt hin zu einem Tabubruch: Nie zuvor in der amerikanischen Geschichte wurde ein amtierender oder ehemaliger Präsident strafrechtlich belangt. Das liegt nicht daran, dass es dafür nie einen Anlass gegeben hätte, sondern an den möglichen Folgen für das Funktionieren der Demokratie. Der Eindruck, eine politisch kontrollierte Justiz verfolge Gegner ohne zwingenden Grund, rüttelte am Selbstverständnis eines reibungslosen, friedlichen Machtübergangs.

Gleichzeitig gehört es allerdings zum Gründungsmythos der im Kampf gegen die britischen Monarchen entstandenen USA, dass niemand über dem Gesetz steht. Mittlerweile wurden fast 1000 Personen wegen des Sturms auf das Capitol angeklagt oder verurteilt – für einfache Delikte wie das unberechtigte Betreten öffentlichen Grunds, aber auch für Verbrechen wie «aufrührerische Verschwörung». Die Person im Zentrum der Ereignisse, der Anstifter und vermeintliche Profiteur, ist bisher jedoch strafrechtlich nicht belangt worden.

Dabei ist klar, dass es ohne Trumps unbedingten Willen, sich an der Macht zu halten, nicht zum Anschlag auf Amerikas Demokratie gekommen wäre. Der Untersuchungsausschuss hat dies detailliert und mit einer Unmenge an Beweisstücken herausgearbeitet. Die zentrale Erkenntnis ist, dass der Sturm auf das Capitol keine aus dem Ruder gelaufene Protestkundgebung war, sondern der letzte Versuch nach einem verzweifelten Plan. Dem ehemaligen Präsidenten musste seine Wahlniederlage bewusst gewesen sein. Dennoch wollte er jeden erdenklichen Weg beschreiten, um diese umzustossen. Weil keiner zum Ziel führte, blieb nur die Eskalation am 6. Januar 2021.

Justizminister Garland steht vor einem Dilemma

Es wäre eine Legitimierung politischer Gewalt und damit ein gefährlicher Präzedenzfall, würde Trump dafür nicht zur Verantwortung gezogen. Das passende, verfassungsrechtlich vorgesehene Instrument wäre die Verurteilung in einem Impeachment-Verfahren gewesen. Die grosse Mehrheit der Republikaner bot dazu indes nicht Hand – im Gegensatz zum Fall Richard Nixons vor knapp 50 Jahren, als die Partei ihren Präsidenten ob der untragbaren Vorwürfe fallen liess. Es ist deshalb folgerichtig, dass der Ausschuss die Überweisung an die Strafjustiz anregt.

Justizminister Merrick Garland steht nun vor einer ebenso heiklen wie schwerwiegenden Entscheidung. Auch wenn die Kommission einseitig zusammengesetzt ist, sind die von ihr präsentierten Beweise dicht und vielfältig. Sie scheinen eine Anklage zu rechtfertigen. Gleichzeitig würde ein solcher Schritt die politische Spaltung des Landes nochmals dramatisch vertiefen.

Garland weiss natürlich um diese Problematik und hat deshalb schon vor einem Monat den Sonderermittler Jack Smith eingesetzt, der grösstmögliche Unabhängigkeit garantieren soll. Auch das ist sinnvoll – nur wird es am Ergebnis nichts ändern. Trump und mit ihm viele Republikaner werden eine Anklage als politisch motivierte Hexenjagd darstellen. Möglicherweise würde sie dem ehemaligen Präsidenten sogar mehr nützen als schaden. Bliebe sein Umsturzversuch folgenlos, wären die Risiken jedoch noch grösser.

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