Die Frage seines Alters ist für Joe Biden nicht das größte Problem
In den USA läuft alles auf ein Duell der Greise hinaus. Auf einen Generationenwechsel werden die US-Amerikaner noch warten müssen
Das jährliche White House Correspondents’ Dinner gehört zu den beliebtesten Traditionen im politischen Washington. Nicht nur deshalb, weil an diesem speziellen Abend Anfang Mai ein Hauch Hollywood in der sonst so biederen US-Hauptstadt Einzug hält.
Im Hilton-Hotel treffen so die Glamourösen von der Westküste auf die Angesehensten aus Politik und Journalismus. Comedians dürfen die reizvolle Aufgabe übernehmen, den Präsidenten und seine Politik mal so richtig auf die Schaufel zu nehmen.
Joe Biden bekam in diesem Jahr von Comedian Roy Wood Jr. unter anderem auch einige Wuchteln über sein Alter zu hören: Während in Frankreich die Menschen “randalieren, weil sie nicht bis 64 arbeiten wollen”, gebe es in den USA einen Mann, der noch mit 80 darum bettelt, “vier weitere Jahre arbeiten zu dürfen”, scherzte Wood unter anderem. Die Aufgabe des Präsidenten während dieser mehr oder weniger launigen Witztiraden ist es, tapfer zu lächeln und Humor zu beweisen.
Freilich wird der 80-jährige amtierende Präsident im Wahlkampf, der ihm die kommenden eineinhalb Jahre bevorsteht, viel mehr als nur Humor brauchen. Die politische Stimmung ist aufgewühlt, und die Republikaner haben sich längst aufs Thema Alter eingeschossen. Auch die US-Gazetten arbeiten sich begeistert daran ab. Ist Biden senil? Wird er eine zweite Amtszeit überhaupt überleben? Ist er nur mehr eine Marionette seiner Ratgeber? Oder braucht er schon Altenpfleger statt Ratgeber? Dass auch der potenzielle Herausforderer Donald Trump nur um dreieinhalb Jahre jünger ist als Biden, macht deutlich, wie scheinheilig diese Diskussion ist. Noch dazu in einem Land, in dem das Durchschnittsalter in beiden Kammern des Kongresses bei 61,6 Jahren liegt. Die US-Politik vergreist.
Blass und konturlos
Offenbar gab es aber auch keine Alternativen in der Demokratischen Partei zum Vernunftkandidaten Biden. Vizepräsidentin Kamala Harris, die eigentlich als junge, moderne und zukunftsfähige Nachfolgerin aufgebaut werden sollte, blieb blass und konturlos. Andere gelten als nicht mehrheitsfähig. In der jüngeren Geschichte der USA hat außerdem nie ein parteiinterner Herausforderer die Vorwahlen gewonnen, der angegriffene Amtsinhaber aber verlor immer die Wahl. So läuft diesmal offenbar alles auf das Duell der Greise hinaus.
Jugend ist natürlich noch lange keine Erfolgsgarantie, wie man an der Politik von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz beobachten konnte – und Alter an sich kein Disqualifikationsgrund. Auch der Senior Biden hat die Herausforderungen der Zukunft im Blick, wie das umfangreiche Konjunkturprogramm, das Klimapaket, der relativ stabile Arbeitsmarkt und sein professioneller Beitrag zum Management in der Ukraine zeigen.
Auf den Generationswechsel müssen die US-Amerikaner wohl noch warten, zumindest wenn es der Narzisst Donald Trump schafft, den Republikanern eine weitere Kandidatur aufzuzwingen.
Die eineinhalb Jahre bis zum Wahltag werden für Joe Biden eine große Herausforderung, der er sich freiwillig stellt. Aber egal wie die Wahl schließlich ausgeht, spätestens danach müssen sich Republikaner wie Demokraten dringend die Frage stellen, warum sie keine charismatischen, konstruktiven und mehrheitsfähigen Zukunftshoffnungen anbieten können. Egal welchen Alters. (Manuela Honsig-Erlenburg, 5.5.2023)
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