Shielding Russian Military Assets Cannot Serve Western Interests

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Russlands Armee zu schützen, kann nicht im Interesse des Westens sein

Juristisch und militärisch gesehen ist es absurd, dass Kiew westliche Langstrecken­waffen nicht gegen Ziele in Russland einsetzen darf. Politisch ist es komplizierter.

Das Kriegsvölkerrecht definiert, was ein legitimes militärisches Ziel ist, worauf also – grob gesagt – geschossen werden darf.* Da Russland sich dazu entschieden hat, Krieg gegen die Ukraine zu führen, besteht kein Zweifel daran, dass der Angegriffene das Recht hat, Ziele auch auf dem Staatsgebiet des Angreifers zu attackieren. Ebenso wenig besteht ein ernsthafter Zweifel daran, dass die Flugplätze, von denen aus die russischen Bomber und Drohnen mit ihrer mörderischen Fracht starten, für die ukrainische Armee legitime Ziele darstellen.

Juristisch und militärisch gesehen ist es daher absurd, dass die amerikanische und die britische Regierung es Kiew bisher nicht erlauben, die von ihnen gelieferten Langstreckenwaffen gegen tief in Russland liegende Ziele einzusetzen. De facto spannen die USA und Grossbritannien dadurch eine Art Schutzschirm über russische Flugplätze auf, während es gleichzeitig Bomben und Raketen auf ukrainische Städte hagelt.

Dieser Widerspruch zwischen Einsatznotwendigkeiten und Einsatzbefugnissen ist Amerikanern und Briten natürlich bekannt. Dass er bisher nicht aufgelöst wurde, hat mit einem dritten, einem politischen Faktor zu tun, der auch dafür verantwortlich ist, dass etwa Deutschland überhaupt keine weitreichenden Waffen wie die Taurus-Rakete an Kiew abgibt: der Angst davor, dass der Krieg entweder über die Grenzen der Ukraine hinaus oder gar von einem konventionellen zu einem nuklearen eskalieren könnte, wenn plötzlich von Nato-Staaten gelieferte Marschflugkörper auf den Militärbasen der Atommacht Russland einschlagen.

Eine Antwort voller Tücken

Ist diese Angst begründet? Die tückische Antwort lautet: Das weiss man vielleicht erst, wenn es zu spät ist. Einerseits hat Russland trotz aller Warnungen vor einer Eskalation bisher jede Steigerung bei Quantität und Qualität der vom Westen gelieferten Waffen hingenommen. Die Ukraine kämpft inzwischen mit Jets, Panzern, Artilleriegeschützen und Granaten, die allesamt aus Nato-Ländern stammen.

Andererseits ist das Ausbleiben einer Eskalation in der Vergangenheit eben keine Garantie für das Ausbleiben einer Eskalation in der Zukunft. Es ist keine Dummheit oder Feigheit, sondern geradezu ihre Aufgabe, wenn westliche Politiker sich Gedanken darüber machen, wie sich verhindern lässt, dass aus dem Krieg in der Ukraine der dritte Weltkrieg wird.

Das bedeutet nicht, dass sich rechtliche, militärische und politische Erwägungen nicht ausbalancieren lassen. Russlands verbrecherische Kriegsführung macht auch Militäranlagen zu legitimen Zielen, die weit abseits der Front in der Ukraine liegen. Das Verbot, diese mit westlichen Waffen zu beschiessen, sollte aufgehoben werden. Gleichzeitig muss es bei der Vorgabe bleiben, dass die Ukraine sich auf solche, eindeutig militärische Ziele beschränkt. Russlands Armee zu schützen, den Aggressor, kann nicht im Interesse des Westens sein.

*Um das deutsche Verteidigungsministerium zu zitieren: Militärische Ziele sind „Objekte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit, ihres Standortes, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt“.

Source: https://www.sueddeutsche.de/meinung/kommentar-ukraine-weitreichende-waffen-russland-nato-lux.4sBgVJnJqUczyj9625jjsQ

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