Ist Trump Diktator bloß für einen Tag? Wir werden sehen
Der US-Präsident darf vieles, aber mit manchen Dekreten verstößt er gegen Gesetze und Verfassung. Wenn er die Gerichte ignoriert, zerstört er den Rechtsstaat
Das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist die mächtigste Position in der demokratischen Welt. Und Donald Trump will bei seinem zweiten Anlauf diese Macht voll ausschöpfen. Mit seinen rund 100 Dekreten am ersten Tag im Weißen Haus schafft er mit der Brechstange neue Realitäten in der Migrationspolitik, in der Klimapolitik, in der Justiz und in der Genderpolitik. Er baut eine “Festung Amerika”, in die kein illegaler Flüchtling eindringen soll. Er erklärt den Kampf gegen die Erderhitzung für beendet, er schreibt den schändlichen Kapitolsturm zu einer Heldentat um und erklärt Transpersonen für nicht existent.
Viel von dem darf der US-Präsident, auch ohne Zustimmung des Kongresses. Auch sein Vorgänger Joe Biden hat präsidentielle Verordnungen erlassen, wenn er im Kongress keine Mehrheit finden konnte. Aber Schritt für Schritt wurde Biden dabei durch Gerichtsentscheide gebremst und musste viele Pläne wieder fallen lassen, so etwa das Streichen von Studienkrediten. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof die Möglichkeiten für Bundesbehörden, eigene Regulierungen zu erlassen, deutlich eingeschränkt, etwa beim Klimaschutz.
Trump hat sich in seiner ersten Amtszeit ebenfalls von den Gerichten bremsen lassen und dadurch die Gewaltenteilung, auf der jeder Rechtsstaat aufbaut, zähneknirschend anerkannt. So musste er die 2017 erlassenen Einreisebeschränkungen aus zumeist muslimischen Staaten, den “Muslim Ban”, deutlich aufweichen.
Verweigerung der Staatsbürgerschaft
Auch diesmal kann die Trump-Regierung mit einer Vielzahl von Klagen rechnen, denen die Bundesgerichte zumindest zeitweise stattgegeben haben. Aber vieles deutet darauf hin, dass Trump dies diesmal nicht hinnehmen wird. Das völlige Aussetzen des Asylrechts ist gesetzlich nicht gedeckt, trotz Ausrufung eines imaginären Notstands. Seine Ansage, auf dem Boden der USA geborenen Kindern die Staatsbürgerschaft zu verweigern, verstößt offen gegen die Verfassung und kann vor Gericht nicht halten. Wenn Trump seinen Beamten dennoch die Anweisung gibt, keine Staatsbürgerschaftspapiere auszustellen, bekennt er sich zum Verfassungsbruch. Auch die Aussetzung des Tiktok-Verbots widerspricht der Gesetzeslage.
Ein Präsident, der sich international an keine Regeln hält und fremdes Territorium für die USA beansprucht, bloß weil es ihm gefällt, ist eine Gefahr für die globale Weltordnung. Die USA haben das Völkerrecht anders als die Europäer immer schon nur mit Einschränkungen akzeptiert und sich nicht um dessen Feinheiten gekümmert – allerdings seit 120 Jahren nicht expandiert. Wird aber unter Trump II die eigene Verfassungsordnung als lästiges Beiwerk behandelt, dann eröffnet sich in den USA eine neue autoritäre Ära, die auch auf andere Staaten ausstrahlen wird.
Zwei gleich große Lager
Das überschäumende Selbstbewusstsein, das Trump an den Tag legt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Wahlsieg von den Stimmen her knapp war; die USA bleiben eine in zwei gleich große Lager gespaltene Gesellschaft. Der Widerstand gegen seine Herrschaft wird wachsen, je willkürlicher sich diese entwickelt. Und wenn man bedenkt, was der alt-neue Präsident selbst moderaten Kritikern androht, kann man sich vorstellen, mit welcher Gewalt er auf viel schärferen Gegenwind reagieren wird.
Trump wurde demokratisch gewählt, die US-Demokratie hat bei diesem Machtwechsel ihre Stärke bewiesen. Die wahre Nagelprobe aber steht ihr erst bevor.
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