Wie Bill Clinton seinen Ruf verspielte
Andreas Mink, New York
Hillary Clinton steht vor einer Niederlage bei den Vorwahlen zur US-Präsidentschaft. Schon verloren hat Bill Clinton, der sich im Wahlkampf vom Ex- Präsidenten in einen politischen Schläger verwandelt hat.
Während Amerikas Medien auf das Ende der Vorwahlen für die US-Präsidentschaft Anfang Juni warten, vertreiben sie sich die Zeit mit der schadenfrohen Frage: «Was ist nur aus Bill Clinton geworden?» Seiner Frau kann nur noch ein Wunder zum Sieg über Barack Obama verhelfen. Bei ihm hilft nicht einmal mehr das. Die Presse hat ihn bereits als den «grössten Verlierer dieser Wahlsaison» ausgemacht.
Seit Beginn dieses Jahres zeigen die Fernsehkameras den Ex-Präsidenten immer wieder als Raufbold mit rotem Gesicht, der mit dem Zeigefinger fuchtelt und kleinliche Streitereien mit Wählern und Journalisten vom Zaun bricht. Das entspricht so gar nicht dem Bill Clinton, der zwar das Weisse Haus nicht unberührt von Skandalen verlassen, der sich aber danach als Weltverbesserer neu erfunden hat. Nach seiner Herzoperation schlug Clinton in Harlem das Hauptquartier seiner Stiftung auf, die inzwischen viel Geld für den Kampf gegen Aids, Malaria und den Klimawandel sammelte. Der Demokrat, der hinter jeder Kritik eine «gewaltige Verschwörung der Rechten» erkannte, war plötzlich souverän genug, sich mit seinem Amtsvorgänger George H. W. Bush zusammenzutun, um den Opfern des Tsunami zu helfen. Und dass Clinton als Redner und Berater gutes Geld verdiente, wollte ihm da niemand neiden.
Schon zu Beginn der Vorwahlen begann Bill Clinton allerdings bei seinen Auftritten stets mehr von sich als über die Vorzüge seiner Frau zu sprechen. Nach Hillary Clintons Niederlage in Iowa begann er die Getreuen des Ehepaars Clinton mit Wutausbrüchen und unfundierten Attacken auf Barack Obama zu beunruhigen. Diesem warf Clinton vor, ein Verehrer Ronald Reagans zu sein, dann stempelte er ihn als vaterlandslosen Gesellen und als «schwarzen Kandidaten» ab. Die Quittung für Hillary Clinton kam bei den Vorwahlen in South Carolina, wo Schwarze, die stets zu ihren treuesten Anhängern gezählt hatten, in Scharen Obama wählten. Daraus wurde ein Trend, der mit zur heutigen aussichtslosen Lage von Hillary geführt hat. Der afroamerikanische Abgeordnete James Clyburn hat dem Ex-Präsidenten danach unterstellt, er sei «Hillarys Mann fürs Grobe». Carl Bernstein, ein Biograf von Hillary, sah Bill Clinton in dessen schlimmste Angewohnheiten zurückfallen: Neben dem intellektuell brillanten und «geborenen Politiker», der Hinterwäldler ebenso in den Bann schlagen kann wie Hollywoodstars, habe es immer schon «den anderen Bill» gegeben. Dieser dünnhäutige und cholerische Mann wird vom New Yorker Journalisten Kurt Anderson auch als «verzweifelter Narzisst» charakterisiert: «Bill geht es immer nur um Bill.» Sowohl Bernstein wie Anderson unterstellen Bill Clinton, dass er sich von Obama persönlich angegriffen fühle. Irgendwann im Lauf der Vorwahlen sei es dem Ex-Präsidenten nicht mehr um Hillarys Ziel gegangen, sondern um das eigene Vermächtnis. Wenn Obama die USA aus dem Klammergriff der «gleichen alten Leute, die das gleiche alte Spiel in Washington treiben», befreien will, zielt er ganz bewusst auch auf die Clintons und ihre Skandale.
Bei gemeinsamen Wahlkampfauftritten der Clintons ist an Bills Gesicht unschwer zu erkennen, dass er an der mangelnden rhetorischen Begabung seiner Frau verzweifelt, sich aber verpflichtet fühlt, ihr zumindest als Wahlkämpfer die Treue zu halten. Die «New York Times»-Reporter Jeff Gerth und Don Van Natta behaupten in ihrer Hillary-Biografie «Her Way» sogar, das Paar habe einen Pakt geschlossen, um einander ins Weisse Haus zu hieven.
Kompetent und kompromissbereit hatte Hillary Clinton seit 2000, nach ihrer Wahl in den US-Senat, ein eigenständiges Profil entwickelt, auch um sich von den Skandalen der Präsidentschaft Clinton zu distanzieren. Bills heutige Ausbrüche beschwören nicht nur für den Journalisten Carl Bernstein Erinnerungen an den «Zirkus der Clinton-Jahre» herauf. Auch viele Wähler wundern sich, welche Rolle der unkontrollierbare Bill in einer Präsidentschaft von Hillary spielen würde.
Hillary hatte schon im Februar reagiert und ihren Gatten verbannt – zum Wahlkampf in ländliche Gegenden, etwa in die Gebirgstäler der Appalachen. Wie zuletzt Hillarys Triumph in West Virginia zeigte, hat Bill Clinton dort gute Arbeit geleistet. Landesweit ist seine Beliebtheit jedoch mittlerweile unter die schlechtesten Werte aus der Zeit seiner Affäre mit der Praktikantin Lewinsky gefallen.
Auch bei den Demokraten steigt der Unmut über Bill Clinton. Er sei ein Egoist, heisst es da, und er schade den Wahlchancen der Partei im November. Am teuersten dürfte sein ramponierter Ruf aber Bill Clinton selbst zu stehen kommen, wie ein Insider bemerkt: «Eine Viertelmillion Dollar pro Rede wird Bill Clinton so bald nicht mehr verlangen können.»
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