Gattinnen im US-Wahlkampf: Die Edle und die Zornige
von Sabine Muscat (Washington)
Cindy McCain oder Michelle Obama – im inoffiziellen Wahlkampf für den Posten der First Lady dreschen auch die Damen aufeinander ein.
Die Energie entlädt sich wie ein Gewitter, wenn Michelle Obama auf eine Bühne tritt. Hüpfen würde die Bewegung besser beschreiben, mit der die 44-jährige Frau des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten zum Rednerpult gelangt.
Der Auftritt macht ihr sichtlich Spaß. Doch manchmal wird Michelle Obama wütend. Sie redet über das schwarze Mädchen, das schlechtere Startchancen im Leben hat als seine weißen Altersgenossen. “Für manche Menschen in diesem Land hängt die Latte zu hoch”, ruft sie empört.
Michelle Obama bringt ihr Publikum zum Lachen und zum Weinen. Aber sie bietet auch Angriffsfläche. Ein verbaler Ausrutscher passierte ihr vor einigen Monaten. Erst jetzt, sagte sie damals, da ihr Mann Präsidentschaftsbewerber sei – der erste Schwarze mit guten Siegchancen -, sei sie zum ersten Mal stolz auf ihr Land.
Das war ein Fehler. Obwohl seitdem viel Zeit vergangen ist und sie die Äußerungen wieder und wieder gerade gerückt hat, lassen die Republikaner keine Chance aus, um Michelle Obama mangelnden Patriotismus vorzuwerfen.
Zuletzt stimmte sogar die andere Frau, die sich der Nation als potenzielle First Lady präsentiert, in den Chor der Kritiker ein. “Ich weiß nicht, warum sie das gesagt hat”, sagte Cindy McCain jüngst im Sender ABC. “Ich weiß nur, dass ich immer stolz auf mein Land war.”
Für die Präsidentschaftskandidaten sind ihre Frauen wichtige Wahlkampfinstrumente. Ihre Auftritte entscheiden nicht über Sieg oder Niederlage, aber sie beeinflussen das Image der Bewerber in der Öffentlichkeit. Sie können ihren Männern helfen – vor allem aber durch unbedachte Äußerungen schaden. Entsprechend sorgfältig werden sie von den Wahlkampfteams angeleitet.
Cindy McCain greift meist nur zum Mikrofon, um dem Publikum den republikanischen Präsidentschaftskandidaten vorzustellen, ihren Ehemann John McCain. Sie wirkt kühl und distanziert in ihren perfekt sitzenden Kostümen, das Make-up macht ihr Gesicht zur Maske. Aber wenn sie spricht, verstrahlt die 53-Jährige einen mädchenhaften Charme. Sie erzählt die Geschichte des Waisenbabys, das sie von einem Wohltätigkeitseinsatz in Bangladesch nach Hause brachte. John McCain war überrascht, aber er musste akzeptieren, dass er nun eine Adoptivtochter haben würde – zusätzlich zu drei Kindern mit Cindy und drei weiteren aus erster Ehe.
Es liegen Welten zwischen den Frauen, deren Männer ums Weiße Haus kämpfen: Zwischen dem schwarzen Mittelklasseheim in Chicago, in dem Michelle mit ihrem Bruder Craig zu Hause war und dem Anwesen in Phoenix, wo Cindy als einzige Tochter des Biermillionärs Jim Hensley aufwuchs; zwischen der Harvard Law School, an die Michelle es schaffte, und der Sonderschule, an der Cindy als Lehrerin arbeitet; zwischen der Wahl ihrer Ehemänner: Michelle verliebte sich in den etwa gleichaltrigen Barack Obama, wie sie ein Anwalt. Cindy heiratete als 24-Jährige den 18 Jahre älteren Vietnamveteranen McCain.
Zwar würden wohl weder Michelle Obama noch Cindy McCain im Weißen Haus eigene politische Ambitionen verfolgen wie etwa ihre Vorvorgängerin Hillary Clinton. Doch die eher unauffällige derzeitige First Lady Laura Bush wäre auch kein Vorbild. Michelle Obama wird ihren Tatendrang kaum zügeln können. Und Cindy McCain, die mehreren Wohltätigkeitsorganisationen vorsitzt und für diese wohl mehr Länder bereist hat als ihr Mann als Senator, will das Weiße Haus als Plattform für soziale Projekte nutzen.
Wohlfahrt klingt angemessen für eine Frau, die im Wahlkampf die Rolle der traditionellen Gattin spielt. Doch in den Pausen greift Cindy McCain zum Telefon und spricht als Präsidentin des geerbten Familienunternehmens Entscheidungen mit dem Vorstand ab. Hinter ihrem makellosen Äußeren verbergen sich zudem persönliche Brüche. Vor acht Jahren schockte Cindy die Nation, als sie von ihrer Medikamentenabhängigkeit berichtete. Sie hat die Sucht überwunden, ebenso die Folgen eines Schlaganfalls.
Michelle Obama ist umgekehrt nicht nur die harte Karrierefrau, als die sie erscheint. Ebenso wie Cindy McCain wollte sie nicht mit ihrem Mann nach Washington ziehen, als dieser Senator wurde – damit die Kinder in einer natürlichen Umgebung aufwachsen. Trotz ihres vollen Terminkalenders achtet sie darauf, dass sie genug Zeit mit den kleinen Töchtern Malia und Sasha verbringt. Zu Beginn des Wahlkampfs erzählte sie gerne aus ihrem häuslichen Leben. Seitdem weiß die Nation, dass Barack die Butter nicht zurück in den Kühlschrank stellt.
Derartige Anekdoten, die den Kandidaten etwas dämlich wirken lassen, wurden aus Michelles Repertoire gestrichen. Damit ihr keine weiteren Fehltritte passieren, passt neuerdings eine persönliche Managerin auf die Ehefrau auf. Und um ganz sicherzugehen, stellte Michelle Obama jüngst in einer Talkshow abermals klar: “Natürlich bin ich stolz auf mein Land. Nirgendwo außer in Amerika wäre meine Geschichte möglich gewesen.”
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