Obama will sich in Ronald Reagan’s Ruhm sonnen
Barack Obama legt viel Wert darauf, dass das Brandenburger Tor bei der Fernsehübertragung im Hintergrund zu sehen ist. Das Tor ist seit Ronald Reagans Rede von 1987 bei konservativen Wählern in den USA das Symbol des Sieges im Kalten Krieg geworden.
Am Dienstag zeigte das amerikanische Fernsehen den ganzen Tag Obamas zielgenauen Basketball-Korbwurf in der Kaserne Bagram in Afghanistan. Es war ein Symbolbild für Obamas Erfolg auf der nächsten Station seiner Reise, im Irak. Dort wurde er sich mit der politischen Führung über den Abzug der US-Truppen bis 2010 einig.
Dank des „Spiegel“-Interviews mit dem irakischen Premier Nuri al-Maliki, in welchem dieser sich Obamas Truppenabzugs-Zeitplan zu Eigen machte, schien der junge Kandidat plötzlich das politische Heft des Handelns vollständig in der Hand zu haben. Noch nie in den letzten Jahren ist in den USA so oft ein deutsches Magazin zitiert worden wie in diesen Tagen.
McCain kennt Tschechien nicht
Sein Gegenspieler John McCain verpatzte am selben Tag ein Interview zu Obamas Reise. Er sprach von der ernsten Lage an der „irakisch-pakistanischen Grenze“ und meinte die zu Afghanistan. Im Juni hatte er von der “Tschechoslowakei“ gesprochen, als er Tschechien meinte. Als er sich Dienstagvormittag zusammen mit George W. Bushs Vater der Presse stellte, schienen beide beide derselben Generation anzugehören. George H. W. Bush ist vor einem Monat 84 geworden, McCain wird in sechs Wochen 72.
Der “Spiegel“ hat ihn kalt erwischt. Der Irak war das Herzstück seines Wahlkampfs. McCain beabsichtigte, Obama als strahlenden Parzival darzustellen, der Anfang 2007 die neue amerikanische Strategie im Irak abgelehnt und so den zum Greifen nahe gerückten Sieg im Irak aus Unerfahrenheit aufs Spiel gesetzt habe. Nun plötzlich sieht McCain wie derjenige aus, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat.
Dienstag Abend kündigte auch er eine beträchtliche Reduzierung der Truppenpräsenz in den kommenden beiden Jahren an. McCain und George W. Bush hatten den beginnenden Abzug eigentlich im Laufe des Augusts als ihr eigenes Verdienst verkünden wollen. Er sollte im Wahlkampf als Ergebnis einer befristeten Truppenverstärkung präsentiert werden, die die Republikaner gegen den heftigen Widerstand der Demokraten durchgedrückt hatten.
Obama erntet, was er nicht gesät hat
Dank des „Spiegels“ ist daraus nichts geworden. Nuri al-Maliki ergriff die Gelegenheit des Interviews, einem amerikanischen Kandidaten unter die Arme zu greifen, den er offenkundig als möglichen Wahlsieger betrachtet. Obama erntet eine Frucht, deren Samen er nicht gesät hatte. Er erntet sie trotzdem.
Es hat also seinen nachträglichen guten, aktuellen Grund, dass Barack Obama Deutschland als Ort seiner Rede an die Europäer auswählte. Die bisherigen Gründe waren eher amerikanisch-innenpolitischer Natur. Ein großer Teil der Wähler in wichtigen Wechselwähler-Staaten wie Ohio ist deutschstämmig. Im Südosten Ohios bilden solche Wähler eine tonangebende Mehrheit. Dort unterlag Obama bei der Urwahl Hillary Clinton. Er möchte verhindern, dass ein Teil der Clinton-Anhänger am 4. November zu Hause bleibt oder für McCain stimmt. Eine große Rede in Deutschland soll Gefühle wecken, die vielleicht mit darüber entscheiden, ob Ohio im Lager der Demokraten landet.
Obama legte auch sehr viel Wert darauf, dass das Brandenburger Tor bei der Fernsehübertragung im Hintergrund zu sehen ist. Das Tor ist seit Ronald Reagans Rede von 1987 bei konservativen Wählern in den USA das Symbol des Sieges im Kalten Krieg geworden. Reagan hat den Sieg eingefahren, weil er sozialkonservative Arbeiter und wohlhabende Oberschicht in einer Wählerkoalition einte.
Obama möchte ausdrücklich ebenfalls eine solche Wählerkoalition schmieden, wie sie Reagan zustande brachte. Er will die konservativen Arbeiter zu den Demokraten zurückholen. Der Auftritt mit dem Brandenburger Tor im Hintergrund dient dem Ziel, das Erbe Reagans für sich zu reklamieren. Es wird ein gewaltiger Auftritt sein. Wahrscheinlich wird Obama am Donnerstag zu der größten Menge sprechen, die er bisher mobilisieren konnte. Siebzigtausend sind bisher sein Rekord. In Berlin können es mehr werden, viel mehr. John McCain erwägt, morgen seinen Vizepräsidenten-Kandidaten zu benennen, um den Bildern Obamas etwas entgegenzustellen.
Ob der Jubel in Übersee konservative Skeptiker in Ohio oder Kentucky oder Tennessee beeindruckt, ist für Obama die entscheidende Frage. Konservative in den USA lehnen gute oder schlechte Ratschläge aus Übersee gern ab. Obamas Auftritt ist deshalb gewagt. Aber er ist bisher mit Wagemut gut gefahren.
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