US-Presse lästert über “Rockstar-Krönung”
Obama in Berlin
Die Aufregung um Barack Obama erfasst auch die US-Medien – die Networks schickten ihre wichtigsten Moderatoren nach Berlin. Daheim gab es schon manch hämischen Kommentar über den Hype um den Kandidaten – und auch über dessen Gastgeber.
Den Begriff “Mosh-Pit” verwenden gewöhnlich nur Freunde härterer Rockmusik. Sie meinen damit eine Ansammlung von Konzertbesuchern, die in einem Kreis wild umeinander tanzen – und sich gerne auch ein wenig durch die Gegend schubsen.
Die Wirtschaftszeitung “Investor’s Business Daily” (IBD) hat jetzt einen “Mosh-Pit des Antiamerikanismus” in Deutschland ausgemacht. Da kaum ein Land derzeit eine so offene Abneigung gegen die USA hege, sei es keine Überraschung, dass Barack Obama hier die einzige öffentliche Rede seiner Europa-Reise hält:
“Verdammt, es war ein Kampf, den Kandidaten für das höchste Amt im Land zum Tragen eines Anstecker mit der US-Flagge zu bringen. Kein Wunder, dass sie in Deutschland für Obama jubeln.”
Auch wenn IBD nicht gerade ein Eckpfeiler des US-Journalismus ist und die Vorwürfe ungewöhnlich scharf sind: Unbehagen an Obamas vielbeachteter Auslandstour äußern in den USA auch andere
Kommentatoren. Sie wundern sich etwa darüber, dass die großen US-Fernsehsender ABC, NBC und CBS allesamt ihre Anchormen – also die Moderatoren der wichtigsten Nachrichtensendungen – entsandt haben, um den Auftritt eines Mannes zu begleiten, der bislang nur ein Kandidat ist.
So viel Aufmerksamkeit blieb Obamas republikanischem Konkurrenten John McCain nicht nur auf Reisen verwehrt. Laut einer Untersuchung des Project for Excellence in Journalism (PEJ) war Obama zwischen dem 9. Juni und 13. Juli viel präsenter in den US-Medien. PEJ-Direktor Tom Rosenstiel kritisiert: “Egal wie
verständlich das ist angesichts der Neuheit des Kandidaten und des historischen Charakters von Obamas Kandidatur, zu guter Letzt ist es wahrscheinlich McCain gegenüber nicht fair.”
“Zeit, nach Vietnam zu gehen”
Vor allem konservative Medien bemängeln, dass Obama sich mit seiner Reise als ein Experte für internationale Auslandspolitik profilieren wolle, der er bislang nicht sei. So vergleicht das “Wall Street Journal” die außenpolitischen Vorerfahrungen früherer US-Präsidenten von Nixon bis Clinton, wobei der anfangs ebenfalls wenig weltläufige George W. Bush ausgespart bleibt. Das spöttische Fazit: Die Erfahrung von Obama speise sich überwiegend aus “einer einzigen Woche Reisen unter Medien-Getöse”.
Für den “Omaha World Herald” ist die Entsendung der Anchormen gar “ein bezeichnendes Beispiel für die abgehobene Art der nationalen Presseelite”. Möglicherweise sei es an der Zeit, dass John McCain noch einmal nach Vietnam reise, “um die Plätze zu besichtigen, wo er für Amerikaner gelitten hat”. Damit könnte
der langjährige Kriegsgefangene die Fairness der Moderatoren testen. “Wenn sie für Obamas Rockstar-Krönung nach Europa reisen, sollten sie auch McCain bei der Versöhnung mit einer Nation begleiten, die schnell zu einem wichtigen Handelspartner werden könnte.”
Die “Chicago Sun-Times” kritisiert, die Botschaft hinter einer umjubelten Obama-Rede in Berlin sei eindeutig: “Wählt Obama, und die Welt wird Amerika wieder lieben.” Doch die US-Wähler würden
entscheiden, wen sie als Präsidenten und damit Oberbefehlshaber wollen: ein “junges, ungeprüftes, unerfahrenes politisches Phänomen oder einen politischen Veteranen, der Kenntnisse über die komplexen Abläufe in der Welt und die Winde des Krieges überstanden hat.”
Viele US-Zeitungen schreiben jedoch deutlich nüchterner über den Besuch, ohne die damit verbundenen Kontroversen auszusparen. So berichtet die “Washington Post”, Angehörigen der US-Botschaft sei ein Besuch der Obama-Rede verboten worden. Die American Foreign Service Association, eine Gewerkschaft für Diplomaten, hat bereits gegen den Erlass protestiert.
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