An American in Berlin

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Ein Amerikaner in Berlin

Amis betrachten deutschen Jubel mit Freude und Skepsis

VON HEIKO ROLOFF

So machtlos haben sich die Republikaner schon lange nicht mehr gefühlt. Seit der demokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama auf „Welt-Tournee“ gegangen ist, kennen die US-Medien nur noch ein Thema: O-ba-ma! Tageszeitungen, Magazine, TV-Sender. Sie alle zeigten den 46-jährigen Polit-Neuling, der wie ein Präsident mit den politischen Oberhäuptern von Afghanistan, Irak oder Israel plauderte. Der mit US-GIs in der Kantine aß oder mit General Petraeus im Helikopter über das Krisengebiet in der Golfregion flog.

Sein Rivale John McCain versuchte zu sticheln. „Ich bin erst in den Irak geflogen und habe mir dann ein Urteil gebildet. Nicht umgekehrt.“

Es nützte nichts. 200 US-Journalisten gehörten zur Obama-Entourage. Darunter die Spitzen-Nachrichtenleute Katie Couric (CBS), Brian Williams (NBC) und Charles Gibson (ABC). Sie sind in den USA so bekannt wie Mr. Tagesthemen Ulrich Wickert oder Talk-Ikone Sabine Christiansen in Deutschland. CNN hatte derweil seine beste Kriegswaffe ins Rennen geschickt: Christian Amanpour.

Wer wollte da schon sehen wie McCain (71) durch irgendwelche kleinen Rathäuser in Ohio tingelte und zu deutschstämmigen Rentnern und Kriegsveteranen sprach? Niemand. Auf einer seiner Veranstaltungen tauchten ganze sieben Leutchen auf

Doch das Schlimmste sollte am Donnerstag kommen: Barack Obama an der Siegessäule von Berlin!

Die Amis waren bereits gewohnt, dass der redegewandte Demokrat mit dem charmanten Lächeln wie ein Popstar Zehntausende von Menschen anlockte. Was sie nun im TV und auf den Fotos der Tageszeitungen sahen, schockte sie: 200 000 Menschen (vorwiegend Deutsche) jubelten Obama zu. Einem Amerikaner. Dabei dachten die Amis, dass sie im Ausland keiner sehen will.

Die Bilder, die live in die amerikanischen Wohnzimmer geliefert wurden, mussten einfach an die legendäre Rede von John F. Kennedy erinnern, der vor über 40 Jahren am Rathaus Schöneberg erklärte: „Ich bin ein Berliner.“ Oder an Ronald Reagans Berlin-Besuch, als er forderte: „Mr. Gorbatschow, reißen sie die Mauer ein.“

Doch auf den Rausch folgte wie so oft die Katerstimmung. Viele Medien gingen schon am Freitagmorgen auf Distanz. Der kritischste Punkt: Darf ein Kandidat, der dazu auch noch ein solcher Polit-Neuling ist, wie ein Weltpolitiker auftreten und so tun, als repräsentiere er die USA?

Ausgerechnet die New York Times, die aus dem demokratischen Lager stammt, gehörte zu den schärfsten Kritikern. „Obama, ungenau bei Themen, ist Liebling der Massen in Europa“, lautete der Titel. Das konservative Wall Street Journal hielt sich dagegen vornehm zurück. In ihren Schlagzeilen ging es um Banken-Korruption oder um die Probleme des Autoherstellers Ford. Es zeigte das obligatorische Foto (Obama von hinten vor einem Meer von Deutschen) dagegen nur klein auf der ersten Seite. Dazu die Zeile: „Obama fordert Verbesserung der amerikanisch-europäischen Kontakte.“

Euphorisch dagegen die New York Post. „Wunderbam zieht Massen meilenweit in Berlin an.“ Das Blatt legte das Foto über die Seiten zwei und drei hin und schrieb: „200 000 Teutonen johlen in Berlin.“

Erstaunlich. Denn die Post ist eigentlich Obama-Gegner und George W. Bush-Freund. Erst am Wochenende hatte New Yorks einfallsreichste Gift-Gazette eine Karikatur von Obama in Berlin gezeigt. In der Sprechblase verkündete er: „Ich bin ein Be… ginner.“

Dann wurde analysiert. Obamas Berlin-Rede sei von leeren Floskeln gefüllt gewesen. 16 Mal habe er das Wort Mauer gesagt. 11 Mal davon ging es um irgendwelche Mauern, die eingerissen werden müssten. Die New York Times verglich seine Rede mit denen von Kennedy und Reagan in Berlin. Fazit: Bei Obama ging es um schöne Worte, um Rhetorik. Bei Kennedy und Reagan um harte Entscheidungen! Und am Ende befand Times-Kommentator David Brooks: „Alles Disney!“ Autsch.

Tatsächlich habe auch ich den Eindruck, dass viele Amerikaner es gar nicht witzig finden, dass Obama schon auftritt, als gehöre das Weiße Haus ihm. Es ist ein schmaler Pfad. Einerseits erkennen die Amerikaner mit Erleichterung, dass Deutschland (und Europa) auch nach fast acht Jahren George W. Bush noch ein Verbündeter der USA sind, andererseits wundern sie sich: „Wir haben Obama doch noch gar nicht gewählt. Wieso spielt der sich so auf?“

Am besten analysierte für mich der liberale Nachrichten-Mann Chris Matthews vom TV-Sender MSNBC die Lage. Ich glaube, dass er die Gefühle der Amerikaner über Obamas Berlin-Reise am besten auf den Punkt gebracht hat: „Ich mag die Tatsache, dass wir unsere Flagge im Ausland sehen. Dass wir willkommen sind. Dass wir nicht als arrogant wahrgenommen werden. George Bush hatte es nicht verstanden, Freunde zu machen. Obama ist das Gegenteil.“

Doch auch Matthew warnte die Obama-Fans, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben solle. „Die Welt denkt, dass er schon Präsident ist. Das ist ein Fehler. Die Wahl ist weit offen. Vor allem hat Obama das Problem, dass er noch immer nicht das Lager der Clinton-Demokraten hinter sich gebracht hat.“

Und die, so scheint es mir, sind von Obamas Mega-Auftritt in Berlin genauso brüskiert wie John McCain

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