Too Powerful for the World

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Zu mächtig für die Welt

Von Günther Deschner

Die anstehende Präsidentenwahl in den USA trifft mitten in einen Prozeß grundlegenden weltpolitischen Wandels. Der „Augustkrieg“ im Kaukasus war dafür ein unmißverständliches Anzeichen. Die „Neue Weltordnung“, die George Bush nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums verkündet und durchgesetzt hatte, fand mit Beginn des russisch-georgischen Krieges am 8. August 2008 eine sichtbare Zäsur. Die Ära Bush ist damit, noch vor dem Präsidentenwechsel im Weißen Haus, an ihr Ende gelangt.

Gleichzeitig aber deutet sich das Ende jener zwei Jahrzehnte an, in denen die USA die einzige Welt- und Supermacht waren. Die Pax Americana, die – kritisiert und oft auch gehaßt – fast eine ganze Generation lang globale Stabilität erzwungen, aber auch gesichert hat, scheint sich zu erschöpfen.

Erste Auswirkungen sind jüngst schon im Nahen und Mittleren Osten zu spüren gewesen. Als nächstes wird man den Aufstieg Chinas und den Wiederaufstieg Rußlands zu Weltmächten erleben. Es kann noch Jahrzehnte dauern, bis China die USA wirtschaftlich einholt, und auch Rußland wird nicht von heute auf morgen zu vergleichbarer Bedeutung wie zur Zarenzeit zurückfinden.

Globalpolitische Unwucht

Es ist aber von starker Symbolkraft, daß ein Nationalstaat, Rußland, in diesen Wochen einen anderen Nationalstaat, Georgien, aus Angst vor den Einkreisungsintentionen eines dritten Staates, der USA, militärisch disziplinierte.

Die Außenpolitiker Amerikas (und Europas), zuvörderst die beiden möglichen zukünftigen Präsidenten der USA, können diese Signale kaum übersehen. Es ist eine Aufforderung zu einer anderen, einer auch konzeptionell neuen Außenpolitik der USA und ihrer Verbündeten.

Eine globalpolitische Unwucht, die Amerikas Partner – Verbündete wie Gegner – fühlen, macht die Stellung der USA gegenüber dem Rest der Welt so schwierig. In der monopolaren Machtstellung, wie sie die USA erreicht haben, verfügen sie über eine überragende Kraft.

USA haben Möglichkeiten beinahe ausgeschöpft

Noch könnte keine denkbare Koalition anderer Mächte Washington ökonomisch oder militärisch zu einer Veränderung seines Verhaltens zwingen. Bei allen Schwierigkeiten ist das US-Bruttoinlandsprodukt – allerdings hinter dem der EU – noch immer größer als das der Volkswirtschaften Deutschlands, Japans und Chinas zusammen. Amerika dominiert militärisch die Meere und den Weltraum. Das definiert seine anhaltende weltpolitische Bedeutung.

In Afghanistan und im Irak läßt sich andererseits beobachten, daß die Weltmacht zu Lande ihre verfügbaren Möglichkeiten beinahe ausgeschöpft hat. Einen weiteren Krieg, etwa gegen den Iran, müßte sich Amerika dreimal überlegen. Auch das US-dominierte Nato-Bündnis ist tief gespalten; viele Mitglieder lassen sich nur widerstrebend für amerikanische Ziele instrumentalisieren.

Andere Verbündete wie das instabile Pakistan werden unsichere Kantonisten. Man hat es schon als das amerikanische Paradox beschrieben: Die USA sind auf Dauer zu mächtig für die Welt, ihr wirtschaftliches und militärisches Gewicht hat ein Mißverhältnis in das globale System hineingebracht.

Keine konzeptionell neuen Ansätze

Wiewohl auf lange Sicht unbesiegbar, kann Amerika auf kurze Sicht – das haben Bushs militärische Abenteuer bewiesen – nicht an zu vielen Brennpunkten in der Welt gleichzeitig seine Kraft entfalten. Dies bietet anderen, schwächeren Mächten die Gelegenheiten, ihre eigenen Interessen gegen das ihnen von der US-Politik zugedachte Schicksal deutlich zu machen.

In der Diskussion über „eine andere Außenpolitik“ für die Zeit nach Bush lassen die beiden Präsidentschaftskandidaten Obama und McCain keine konzeptionell neuen Ansätze erkennen. Welche Rußlandpolitik kann verhindern, daß sich Moskau und Iran zwangsläufig noch näher kommen? Welche ausgleichende Rolle können Verbündete, vor allem Deutschland, spielen?

Die Kandidaten bieten dafür keine Ideen auf. Zu mehr als zu unterschiedlichen Akzenten scheinen sie nicht imstande. Allerdings sollte ihre Wahlkampfrhetorik nicht immer zum Nennwert genommen werden. Obama will als Präsident mehr auf die Verbündeten hören. Schwammig bleibt sein Angebot von Verhandlungen mit „feindlichen Staaten“.

Uneinheitliche Signale aus Obamas Mannschaft

Immerhin griff er die Idee eines direkten Dialogs mit dem Iran mehrmals auf. Man hat ihm inzwischen aber gesagt, daß solche Treffen von langer Hand vorbereitet werden müßten, wenn sie den US-Interessen dienen sollen. In diesem Punkt erweist sich die Entscheidung für Joseph Biden als Vizepräsident als kluger Schachzug.

Mit 35 Jahren Erfahrung als Senator und als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats ist Biden versiert, mit allen außenpolitischen Wassern gewaschen. Biden hält nichts von der Kategorisierung unbotmäßiger Regimes als „Schurkenstaaten“ und fordert seit langem direkte Verhandlungen mit Syrien und dem Iran.

Andererseits sind in Obamas Mannschaft auch unreflektierte Kalte-Kriegs-Töne zu hören. Ex-US-General Wesley Clark beispielsweise, ein Demokrat, stellt sich den Dialog mit Moskau so vor, „daß Rußland klein beigibt“.

Unsere außenpolitischen Ziele selber definieren

Kandidat McCain macht rhetorisch eine „knallharte Politik“ gegenüber Moskau, beispielsweise den Ausschluß Rußlands aus der Gruppe der acht großen Industriestaaten, zum Markenzeichen seiner Außenpolitik, um den Kreml zu „bestrafen“. Andererseits schlägt er vor, mit Rußland einen Vertrag über weitere Abrüstungsschritte im Nuklearbereich zu schließen.

Da beides zugleich kaum möglich ist, müßte sich McCain – sollte er Präsident werden – entscheiden, ob er Falke sein will oder vielleicht doch lieber Taube.

Sichere Prognosen über die künftige Außenpolitik der USA lassen sich also aus dem, was man im Wahlkampf hört, nicht ableiten. Auch der nächste Präsident wird sich nicht an seine Wahlkampfrhetorik halten. Für die Verbündeten der USA, die Deutschen und die Europäer ganz allgemein, bedeutet dies, daß sie ihre außenpolitischen Ziele auf jeden Fall selber definieren und dann auch gegenüber den USA vertreten müssen.

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