90 Zivilisten tot: Saßen USA einer Lüge auf?
Von Thomas Frankenfeld
Überlebende des Vorfalls meinen, dass die Amerikaner für eine örtliche Fehde missbraucht wurden.
Die Wände der Häuser sind von Geschossen durchlöchert, sofern sie überhaupt noch stehen. Tiefe Bombenkrater klaffen im Boden, blutige Kleiderfetzen ragen aus den Trümmern.
Das Dorf Asisabad im Westen Afghanistans war am 22. August Ziel eines massiven amerikanischen Luftangriffs. In mehreren Wellen griffen AC-130-Schlachtflugzeuge den kleinen Weiler in der Provinz Herat an, in dem sich gerade eine große Gemeinde zu einer Gedenkzeremonie versammelt hatte. Die Feuerkraft einer AC-130U “Spooky” aus einer fünfläufigen 25-Millimeter-Revolverkanone, einer 40-Millimeter-Maschinenkanone und einer automatischen 105-Millimeter-Haubitze entspricht nahezu der eines Artilleriebataillons.
Nach Berichten von Überlebenden und afghanischen Offiziellen, die von einer Untersuchung der Uno bestätigt wurden, starben bei dem US-Angriff mindestens 90 Zivilisten, darunter 60 Kinder und 15 Frauen. Die US-Streitkräfte beeilten sich, zu erklären, der Angriff habe dem berüchtigten Taliban-Führer Mullah Siddiq gegolten. Es habe keine zivilen Opfer gegeben. Eine zweite Version sprach von fünf Toten, eine dritte von sieben – es seien aber fast alles Taliban gewesen. Eine Reporterin der “New York Times” sah aber allein bis zu 40 Tote in einer nahen Moschee aufgebahrt, darunter elf Kinder. Doch viele Leichen waren bereits in andere Dörfer gebracht worden.
Asisabad droht zu einem politischen GAU für die US-Mission in Afghanistan zu werden. Möglicherweise wurden die Amerikaner für eine örtliche Fehde missbraucht. Präsident Hamid Karsai besuchte Asisabad, nannte den Angriff “unverantwortlich”, berief sein Kabinett ein und erklärte, er wolle die Stationierungsbedingungen bezüglich ausländischer Truppen neu verhandeln.
Schließlich erklärte sich der höchste US-Soldat in Afghanistan, General David McKiernan, bereit, eine Untersuchungskommission der US-Armee, geführt von einem General, die Vorgänge in Asisabad untersuchen zu lassen. US-Präsident George W. Bush drückte in einem Telefonat mit Karsai sein Bedauern aus.
Die “New York Times” berichtete über den Fall des Polizisten Abdul Hakim. Er verlor seine vier Kinder bei dem Angriff, seine Frau ist seitdem gelähmt. Sie erzählte, dass ein afghanischer Informant, der die nach dem Luftangriff vorrückenden US-Spezialeinheiten begleitet habe, kaltblütig ihren Bruder, ihren Vater und ihren Onkel erschossen habe, als sie der Verwundeten halfen. Sie gehörten zur Khan-Familie, der prominentesten von Asisabad. Die Gedenkfeier galt ihrem Bruder Taimoor Shah, der im Zuge einer geschäftlichen Auseinandersetzung ermordet worden war. Ein anderer Bruder sagte, ein Rivale habe den Amerikanern gesteckt, dass sich am 22.8. Taliban-Kämpfer in Asisabad versammeln würden. Es gebe dort aber gar keine Taliban. Präsident Karsai schwor, er werde jenen bestrafen lassen, der die Amerikaner belogen hatte.
erschienen am 10. September 2008
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