Amerikaner stürmen Wahllokale, Börse jubelt vorab
(33) 4. November 2008, 19:15 Uhr
Rekordbeteiligung an einer historischen Wahl: Mit einem nie dagewesenen Ansturm auf die Wahllokale entscheiden die US-Bürger über ihren neuen Präsidenten. An den Börsen freuten sich die Händler auf ein klares Wahlergebnis zugunsten Barack Obamas. Der Dow Jones schloss mit einem deutlichen Plus.
Bereits um vier Uhr morgens Stunden vor Öffnung der Wahllokale – hatten sich in manchen Städten lange Warteschlangen gebildet. In mehreren Fällen kam es zu erheblichen Verzögerungen bei der Abstimmung, weil beispielsweise falsche Wahlzettel oder Wählerlisten vorlagen. Wähler beklagten sich vielerorts auch darüber, dass es bei weitem nicht genügend Wahlautomaten gegeben habe.
Erwartet wurde eine Rekordbeteiligung von bis zu 130 Millionen Wählern: Knapp drei Viertel aller Wahlberechtigten waren zur Abstimmung registriert. Schon in den vergangenen Wochen hatten fast 30 Millionen Wähler von der Möglichkeit einer frühzeitigen Stimmabgabe Gebrauch gemacht. Die Parteien hatten angesichts befürchteter Unregelmäßigkeiten und Pannen Tausende Rechtsanwälte zur Beobachtung in die Wahllokale vor allem in Staaten mit erwartetem knappen Wahlausgang entsandt.
In einem rasanten Endspurt durch zahlreiche Staaten hatten die beiden Kandidaten bis zuletzt um Stimmen geworben. So plante McCain nach seiner Stimmabgabe in Phoenix (Arizona) noch zwei Wahlkampfauftritte in Nachbarstaaten. Er werde bis zuletzt kämpfen, sagte der Vietnamkriegsveteran. Go John go! riefen ihm Anhänger beim Betreten des Wahllokals zu. Das Ergebnis wollte McCain am Abend daheim in Arizona abwarten. Kurz vorher hatte in Wasilla (Alaska) McCains Vizekandidatin Sarah Palin votiert. Ich hoffe, bete und glaube, dass ich morgen früh als gewählte Vizepräsidentin aufwache, sagte sie nach der Stimmabgabe.
Obama ging schon am Morgen zusammen mit seiner Frau Michelle in Chicago (Illinois) wählen. Er zeigte sich dabei entspannt und zuversichtlich, aber zugleich auch zurückhaltend: Am Montag war seine Großmutter Madelyn Dunham, die ihn jahrelang großgezogen hatte, nach langer Krebserkrankung im Alter von 86 Jahren gestorben. Obamas Rivalin im Vorwahlkampf, Hillary Clinton, gab in Chappaqua (New York) ihre Stimme ab. Sie freue sich auf eine großartige Zeit für Amerika, sagte die New Yorker Senatorin.
Nach letzten Umfragen des Senders CNN führte Obama in den Staaten, die vor vier Jahren der Demokrat John Kerry im Wahlkampf gegen George W. Bush gewonnen hatte. Gleichauf oder vor McCain lag er in etwa einem Dutzend Staaten, in denen Bush vor vier Jahren siegte. Nach einem von der Webseite realclearpolitics.com ermittelten Durchschnittswert von einem Dutzend Umfragen trennte Obama von McCain ein Vorsprung von mehr als sieben Prozentpunkten.
Unter dem Eindruck der Präsidentenwahl erlebten die amerikanischen Börsen am Dienstag einen Höhenflug. Die kräftigen Gewinne zogen sich durch fast alle Branchen. Die Aktienmärkte zeigten sich erleichtert, dass die Unsicherheit nach einem langen Wahlkampf nun ein Ende finde, sagte ein Händler auf dem Parkett New York.
Der Dow-Jones-Index kletterte um 3,28 Prozent auf 9625,28 Punkte. Der S&P-500-Index gewann um 4,08 Prozent auf 1005,75 Punkte. Der NASDAQ-Index stieg um 3,12 Prozent auf 1780,12 Punkte. Die Rentenmärkte zeigten sich mit den Aktienkursen in seltenem Einklang und legten deutlich zu.
In Frankfurt schloss der Dax fünf Prozent höher bei 5278 Punkten. Die Börsianer schauten gebannt auf den Ausgang der US-Wahl. Die Wahl überdeckt alles andere, sagte Joe Saluzzi von Themis Trading. Die Leute denken, sobald die Wahl vorbei ist, wird eine der Unbekannten am Markt herausgenommen. Der Markt hasst Ungewissheit.
Auch in Deutschland setzten die Anleger auf einen deutlichen Wahlsieg Obamas. Die Kurse steigen, weil es nach den Umfragen einen klaren Sieger und damit voraussichtlich kein Hin und Her geben wird, sagte US-Analyst Emil Heppel von der Landesbank Berlin. Gekauft wurden vor allem Finanzwerte.
Die US-Wahl steht heute ganz weit oben auf der Tagesordnung, sagte ein Händler. Dem Demokraten Obama wird von vielen Experten eine größere Wirtschaftskompetenz zugetraut, während die Stärken seines republikanischen Konkurrenten John McCain eher in der Außen- und Sicherheitspolitik gesehen werden. Dass Obama für die Wall Street gut ist, kann ich allerdings nicht erkennen, gab Heppel zu bedenken und wies auf die vom Kandidaten angekündigte Steuererhöhungen für Wohlhabende hin. In den jüngsten Umfragen liegt Obama vorn. Doch viele Händler sind skeptisch: Die Amerikaner sind immer für eine Überraschung gut, sagte einer.
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