Can Obama Govern?

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Kann Barack Obama auch regieren?

CHRISTIAN ULTSCH (Die Presse)

Auf den Rausch folgt der Kater. Auch nach dem historischen Sieg des schwarzen US-Demokraten wird das so sein.

Was nun, Barack Obama? Der historische Sieg ist errungen: Erstmals wird, 143 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei, ein Schwarzer ins Weiße Haus einziehen. Eine neue Generation kommt an die Macht, angeführt von einem 47-jährigen Intellektuellen, der die Massen anzieht wie ein Popstar. Ein neuer Stil hat sich durchgesetzt: cool, optimistisch, frei von Zynismus und Angstparolen. Die Jugend begeistert sich nach all der Verdrossenheit, die man ihr nachgesagt hat, auf einmal für ein politisches Idol. Auch andere Bevölkerungsgruppen fühlen sich, für diesen kurzen Moment zumindest, nicht mehr ausgrenzt, sondern wahrgenommen: Schwarze, Hispanics, Arme, auch Schwule. Doch die Koalition, die der Sohn eines Kenianers und eines Blumenkinds aus Kansas geschmiedet hat, durchzieht alle Schichten, bis hin zu weißen Wohlhabenden.

Es ist keine kleine Leistung, die der fantastische Redner in den 21 Monaten seines innovativen Wahlkampfs vollbracht hat. Die Hoffnung, von der er immer spricht, ist mehr als ein Slogan. Sie hat Funken geschlagen und auch Bürger außerhalb der Vereinigten Staaten erfasst. Doch was nun, Barack Obama? Es wird keine Zeit bleiben, den Triumph auszukosten. Denn die Zeitenwende, die Obamas Wahl markiert, wird von einem anderen, einem düsteren Epochenbruch verdunkelt: Amerika steckt in einer tiefen Krise. Und in einem Land, das von Rezession, Schulden und hoher Arbeitslosigkeit bedrängt wird, wird es nicht genügen, wenn Obama rhetorische Glückspillen verabreicht.

Wie ein gigantischer Mühlstein zieht die Hypothek des scheidenden Präsidenten das ehrgeizige Programm des Wahlsiegers hinunter auf den harten Boden der Realität. Jedem der 47 Millionen Amerikaner, die derzeit keine Krankenversicherung haben, hat Obama eine versprochen. 150 Milliarden Dollar will er in den kommenden zehn Jahren in Umwelttechnologien investieren, weitere 60 Milliarden in die Infrastruktur. 95 Prozent der Amerikaner sollen weniger Steuern zahlen müssen, die Reichen dafür mehr, doch unter dem Strich fiele der Staat um hunderte Milliarden Dollar um. Wie soll sich das alles ausgehen, wenn gleichzeitig auch noch Konjunkturpakete geschnürt werden sollen bei einem Budgetdefizit, das jetzt schon fast 500 Milliarden Dollar erreicht hat?

Obama hat zwei Möglichkeiten: Entweder er bricht seine Wahlversprechen, oder er häuft weiter Schuldenberge an. In seiner Siegesrede, einer Best-of-Version bisheriger rhetorischer Glanzlichter, schlug der 44.Präsident interessante Zwischentöne an. Obama sprach ausdrücklich von einem neuen Opfergeist, von einer langen steilen Straße, die vor Amerika liege. Auch Leon Panetta, der als Berater in Obamas Übergangsteam die am 20.Jänner beginnende Präsidentschaft vorbereiten soll, deutete in der „New York Times“ schmerzhafte Entscheidungen zu Beginn der Amtszeit an. Es sieht ganz danach aus, dass Obama die Bevölkerung auf unerfreuliche Fußnoten seines Wahlprogramms einstimmt.

Ein Konflikt mit seiner eigenen Partei bahnt sich an. Weite Teile der US-demokratischen Mehrheit werden darauf drängen, die schönen Worte des Wahlkampfs zu vergolden und das Geld mit beiden Händen unter das Volk zu streuen. In seinen paar Monaten im Senat war Obama stets linientreu. Jetzt wird er Rückgrat zeigen müssen.

Wer so viel Hoffnungen weckt, muss sie zwangsläufig enttäuschen. Da könnte sich auch die Internet-Community, die Obama im Wahlkampf an sich gebunden hat, als Bumerang erweisen. Sind seine vernetzten Anhänger einmal frustriert, wird sich ihr Ärger zur E-Mail-Lawine zusammenballen.

Das Vertrauens- und Begeisterungskapital, das Obama im Wahlkampf aufgebaut hat, wird schnell schmelzen, wenn er, was zu erwarten ist, um unpopuläre Entscheidungen nicht herumkommt. Deshalb tut er auch gut daran, die Hand zu den Republikanern auszustrecken, die sich vorläufig als beeindruckend gute Verlierer erweisen.

Obamas Anspruch ist es, die Nation zu einen. Die Wahl zeigt, dass er dazu fähig ist. Doch integrativ wollten vor ihm schon andere wirken – und scheiterten kläglich, Jimmy Carter etwa. Wie schnell die US-Demokraten eine Mehrheit im Kongress verspielen können, haben sie schon in Bill Clintons erster Amtszeit unter Beweis gestellt.

Obama hat drei Voraussetzungen, ein großer Präsident zu werden: Er hat Charisma, offenbar auch einen kühlen Kopf – und die Zeiten sind fast so herausfordernd wie zu Roosevelts Antritt 1932. Doch keiner weiß, ob Obama auch wirklich ein Land führen kann. Es bleibt die Hoffnung.

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