23.01.2009 10:10 Uhr Drucken | Versenden | Kontakt
Auch Berlin ist zuständig
Deutschland sollte den USA anbieten, entlassene Häftlinge aus dem Rechtsbruch-Lager aufzunehmen.
Von Kurt Kister
Wer in Deutschland etwas tut oder sagt, wofür er als “nicht zuständig” gilt, der macht sich in der Firma, im Sportverein und natürlich in der Politik unbeliebt bis verdächtig.
Viele Juristen sind wahre Zuständigkeitsfanatiker, die schlimmsten unter ihnen sind jene, die sich als Politiker mit der inneren Sicherheit beschäftigen. Ja, die Rede ist wieder einmal auch von Wolfgang Schäuble. Der hat darauf hingewiesen, dass für die Aufnahme etwelcher aus Guantanamo Entlassener allein die Innenminister von Bund und Ländern zuständig seien – was implizit auch bedeutet, dass die sich schon dagegen aussprechen würden.
Der Innenminister irrt. Zuständig für die Aufnahme ehemaliger Guantanamo-Häftlinge sind alle Staaten, alle Politiker, denen Menschlichkeit etwas bedeutet.
Bei jenen, die hoffentlich bald aus dem Rechtsbruch-Lager freikommen, handelt es sich um Leute, gegen die in den USA mangels Anlass keine ordentlichen Strafverfahren geführt werden. Auch die Regierung Obama wird durchaus die mutmaßlichen Terroristen oder Mordplaner unter den Bush-Internierten strafrechtlich verfolgen.
Viele derer aber, die man jahrelang in Käfigen gehalten hat, weil sie in Afghanistan oder im Irak zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren, erfüllen so ziemlich alle Kriterien, die in der EU für die Anerkennung als Asylbewerber wichtig sind. Wenn sie nach ihrer Entlassung nicht in den USA bleiben wollen, ist das sehr verständlich.
Die Europäer sollten der Regierung Obama anbieten, diese Leute aufzunehmen. Man wird in jedem Einzelfall die Umstände oder gar eine mögliche Gefahr zu prüfen haben. Aber das tut man bei jedem Asylbewerber.
Gerade Deutschland hat sehr gute Gründe, sich offen und zuständig zu zeigen. Es geht darum, Gequälten zu helfen, denen die Internierung auch die Heimat genommen hat. Es ist außerdem eine Geste an die Neuen in Washington, dass alte Freunde zu einer veränderten Politik gerne die Hände reichen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist leider deutlich abgekühlt. Das hat mit den Zeitläuften und der Regierung Bush zu tun. Es gibt aber auf beiden Seiten auch ein manchmal bis über die Grenze der Ablehnung hinausreichendes Desinteresse aneinander.
Hinzu kommt, dass die rot-grüne Regierung und speziell der heutige Kanzlerkandidat Steinmeier Mitverantwortung für die lange Inhaftierung eines Menschen in Guantanamo tragen. Der Fall Kurnaz sollte nicht Motiv einer großzügigen Politik sein, aber dennoch ein Teil der Motivation dafür. Anders als Schäuble befürwortet Steinmeier die Aufnahme entlassener Guantanamo-Häftlinge.
Auf keinen Fall darf daraus ein parteipolitischer Streit werden, ob es besser ist, großzügig oder sicherheitsbewusst zu sein. Zwar kennt die Berliner politische Klasse, zumal im Vorwahlkampf, kaum Tabus. Die Aufnahme von ein oder zwei Dutzend Traumatisierter aber sollte dem Gekeife entzogen werden – und sei es durch ein klares Wort der Kanzlerin.
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