05. Februar 2009
Obamas Daschle-Desaster
Von Katja Gelinsky, Washington
Mit seiner Hilfe sollte das politische Kunststück einer Gesundheitsreform geschehen: Tom Daschle
05. Februar 2009 Anfangs war Präsident Obama noch zu Späßen aufgelegt. Die Suche nach einem Hund für seine Töchter Sasha und Malia gestalte sich schwieriger als die Suche nach einem Handelsminister, sagte Obama Mitte Januar. Da hatte sich gerade Bill Richardson zurückgezogen, der das Ministeramt eigentlich bekommen sollte. Gegen den demokratischen Gouverneur von New Mexico wird wegen Korruption ermittelt. Nach der Vergabe staatlicher Aufträge an ein Finanzberatungsunternehmen, das den Gouverneur vor einigen Jahren großzügig mit Wahlkampfspenden bedacht hatte, war Richardson ins Visier der Bundespolizei FBI geraten. Obamas Übergangsteam wusste angeblich von den Ermittlungen gegen den prominenten Kandidaten, der als ehemaliger Energieminister Bill Clintons Erfahrung in die Regierung gebracht hätte. Aber offenbar hatte Obama die Tragweite der Vorwürfe unterschätzt und vertraute Versicherungen des Gouverneursbüros, das Ganze werde sich bald als Fehlalarm erweisen.
Wenig später läuteten in Washington wieder die Alarmglocken. Ausgerechnet Timothy Geithner, der mittlerweile vom Senat bestätigte Finanzminister und Aufseher über die Steuerbehörde, hatte es versäumt, rechtzeitig Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Abermals versuchte Obama die Angelegenheit mit dem Hundewitz zu entschärfen. Auch die Pläne, für Malia und Sasha einen Labradoodle zu erwerben, verzögerten sich, da es Probleme mit der Hundesteuer gebe, scherzte Obama in einer Dinnerrede, während Geithner noch auf seine Bestätigung wartete.
„Ich habe es vermasselt“
Nach der dritten und vierten Personal-Panne ist der Präsident nicht mehr zu Späßen aufgelegt. „Ich habe es vermasselt“, sagte er am Dienstag im amerikanischen Fernsehen und gab sich zerknirscht. Er sei „von sich selbst enttäuscht“. Gleich zwei Kandidaten für Regierungsämter hatten am Dienstag wegen Steuerversäumnissen ihre Bewerbungen zurückgezogen – angeblich ohne dass ihnen dieser Schritt vom Weißen Haus nahegelegt worden wäre. Den Anfang machte Nancy Killefer, die den neu geschaffenen Posten einer Beauftragten für Haushaltsdisziplin bekleiden sollte. Die Finanzfachfrau hat es nach amerikanischen Medienberichten versäumt, Beiträge für eine Haushaltshilfe abzuführen. Stunden nach Frau Killefers Rückzug ließ Tom Daschle wissen, der Präsident müsse sich ebenfalls einen neuen Kandidaten für das Amt des Gesundheitsministers suchen.
Dabei hatten am Montag noch etliche demokratische Senatoren ihrem früheren Fraktionschef im Senat Unterstützung zugesichert. Obama zeigte sich „absolut“ entschlossen, an Daschle festzuhalten, der ihn früh im Vorwahlkampf unterstützt hatte. Doch immerhin war Daschle dem Finanzamt rund 140.000 Dollar schuldig geblieben – bei Geithner war es um weniger als ein Drittel dieser Summe – 43.000 Dollar – gegangen. Daschles Steuerprobleme standen überdies in Zusammenhang mit seiner lukrativen Beratertätigkeit. So hatte ein New Yorker Investmentunternehmen dem Demokraten für Beratungsdienste einen Wagen mit Chauffeur zur Verfügung gestellt, den Daschle nicht versteuerte.
Insider der Insider
Ferner ermittelt die Steuerbehörde noch, ob Daschle Reisen und wertvolle Geschenke des privaten Kreditvergabeinstituts Educap hätte versteuern müssen. Nicht nur für die oppositionellen Republikaner stellte sich zudem die Frage, wie sich Daschles angestrebtes Ministeramt mit seinen Beratungsdiensten für die United Health Group, einen Großanbieter von Gesundheitsdienstleistungen, vereinbaren lassen hätte. Das Weiße Haus hatte geantwortet, Daschle werde als Minister Distanz zu dem Unternehmen halten.
Der frühere Fraktionsführer ist zwar kein eingetragener Lobbyist, aber seit er 2004 seinen Senatssitz verlor, hat Daschle Millionen von Dollar verdient, indem er Kunden beriet, die Einfluss auf das politische Geschehen in Washington zu nehmen suchen. Auch Obama wollte davon profitieren, dass der langjährige Führer der Demokraten in Washington als „Insider der Insider“ gilt. Mit seiner Hilfe hoffte der Präsident das politische Kunststück einer Gesundheitsreform fertigzubringen.
Auch andere Präsidenten mussten nachnominieren
Als Daschles Steuersünden bekannt wurden, versuchte das Weiße Haus den Kandidaten mit dem gleichen Argument wie Geithner zu halten. Beide seien „die richtigen Leute für wichtige Jobs“, argumentierte Obamas Sprecher Robert Gibbs. Doch diese Begründung stieß auch im linken Lager auf scharfe Kritik. „Ist das wirklich die Botschaft, die der Präsident im ersten Monat seiner Amtszeit vermitteln will, dass es in Ordnung ist, das Gesetz zu brechen oder zu beugen, solange du ein guter Kerl bist und besondere Fähigkeiten hast?“, fragte spitz die linksliberale Internetseite „Huffington Post“. Kommentatoren der „New York Times“ und der Zeitschrift „The Nation“ forderten früh Daschles Rückzug.
Auch früheren Präsidenten sind Pannen bei der Berufung ihrer Kabinettsmitglieder passiert. Bill Clinton hatte 1993 erst im dritten Anlauf mit der Besetzung des Justizministerpostens Erfolg. Sowohl seine erste Wahl Zoë Baird als auch die zweite Kandidatin Kimba Wood zogen ihre Bewerbungen zurück, da sie ausländische Kinderfrauen ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt hatten. Auch George W. Bush musste nachnominieren.
Von Transparenz wenig zu sehen
Wieder war es die Beschäftigung einer illegalen Einwanderin, wegen der seine Wunschkandidatin für die Leitung des Arbeitsministeriums Linda Chavez 2001 ausschied. Als unglücklich entpuppte sich auch Bushs Entscheidung, 2004 Bernard Kerik als Kandidaten für das Amt des Heimatschutzministers zu nominieren. Der ehemalige New Yorker Polizeichef zog seine Bewerbung zurück, als zur Kritik an seiner Qualifikation Einwände wegen möglicher Interessenkonflikte und versäumte Steuerzahlungen für ein Kindermädchen hinzukamen.
Obama aber hat hohe Erwartungen an einen ethisch-moralischen Neubeginn in Washington geschürt. Die gesamte politische Kultur versprach der Kandidat des „Wandels“ zu ändern. Nach dem Daschle-Desaster fragen sich auch Anhänger Obamas, welchen Nutzen die strengen Ethikregeln haben, die der Präsident seiner Regierung verordnete. Von der versprochenen Transparenz war auch am Dienstag wenig zu sehen. Zu Vermutungen, dass Obamas Mannschaft bei der Überprüfung der Kandidaten Fehler unterlaufen seien, mochte Sprecher Gibbs nur so viel sagen: „Der Präsident hat Vertrauen in das Verfahren.“
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