It All Revolves Around America

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Alles dreht sich um Amerika

von Clemens Wergin, Ressortleiter Außenpolitik

08.02.2009 – 13.21 Uhr

Joe Biden hat die Europäer aufgefordert, eigene Konzepte in die Afghanistanpolitik einzubringen. Nun müssen die Europäer zeigen, dass sie auch Machbares vorzuschlagen haben, um den Krieg in Afghanistan zu gewinnen. Nur auf Amerika zu reagieren, ist zu wenig.

Es ist in diesen Krisenwochen viel die Rede vom Abstieg der USA und dem Entstehen einer multipolaren Weltordnung. Die „strategic community“, die solche Thesen gerne debattiert, scheint jedoch am wenigsten an sie zu glauben. Man muss bei der Münchner Sicherheitskonferenz nur erlebt haben, wie sehr sich alles um den Auftritt des amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden drehte, mit welcher Spannung die Welt auf diese erste umfassende außen- und sicherheitspolitische Kursbestimmung der neuen US-Regierung gewartet hat, um zu verstehen: Die Kraftlinien der internationalen Politik schneiden sich noch immer in Washington.

Eine der gängigsten Floskeln auch in München ist, dass kein Staat (lies: nicht einmal Amerika) mehr in der Lage sei, die großen Probleme der Welt allein zu lösen. Doch wann war das je der Fall? Nicht einmal in den 90er Jahren, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Zeit größter relativer Machtfülle der USA markierten, sah sich Washington in der Lage, internationale Krisen im Alleingang zu lösen. Stattdessen stellten die USA im Irakkrieg von 1991 zur Befreiung Kuwaits eine große internationale Koalition zusammen.

Die Welle des guten Willens

Und selbst den letzten Irakkrieg zum Sturz Saddam Husseins 2003 wollten sie nicht ohne jene kleine Gruppe engster Alliierter bestreiten. Was man von der neuen Obama-Administration nun erwarten darf ist, dass sie zu den Zeiten des ersten Irakkrieges zurückkehrt. Dass sie viel Mühe und Überredungskunst in die Partner nicht nur im Westen investiert. Und dass sie damit eine zentrale Stärke Amerikas wiedergewinnt: als Führungsmacht große Koalitionen von Staaten zusammenzustellen, um Probleme anzugehen, deren Lösung im Interesse vieler ist.

Barack Obamas wichtigstes Hilfsmittel ist die Welle guten Willens, die ihm entgegenschlägt. Er ist gut beraten, diesen Impuls zu nutzen, bevor er erlahmt. Deshalb war es richtig, dass Joe Biden in München nicht nur immer wieder die Bereitschaft der Amerikaner betonte, multilateraler zu handeln und Konsultationen zu suchen, sondern dass er auch deutlich machte, Amerika werde mehr von seinen Partnern verlangen. Die bequemen Zeiten sind vorbei, als sich Europas Staatenlenker zurücklehnen konnten, weil sie dank Bush eine gute Ausrede hatten.

Warum die Allianzen der USA kein Selbstzeck sind

Ein ehemaliger US-Botschafter in Deutschland sagte etwas spöttisch, Biden habe in München die für die Europäer neuralgischen Punkte (Klimaschutz etwa und Multilateralismus) identifiziert und dort einfach das Gegenteil von Bush gesagt. Das ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Biden hat auch deutlich gemacht, warum internationale Institutionen und die Allianzen der USA kein Selbstzweck sind und nur dann eine Existenzberechtigung haben, wenn sie auch effektiv sind. Es kann nicht angehen, nur mitreden zu wollen ohne auch mitzutun.

Obama sucht also neue Wege sucht und haucht damit der transatlantischen Allianz wieder Leben ein. Aber auch ein Obama kann die Welt nicht neu erfinden. Die Handlungsoptionen zur Bewältigung verschiedener Krisen sind begrenzt, schon deshalb, weil sich die Natur der Herausforderungen ja nicht ändert, nur weil ein neuer Präsident antritt. So wird Obamas gen Iran ausgestreckte Hand, die in München brüsk zurückgewiesen wurde, nur erfolgreich sein, wenn Teheran an einem Arrangement interessiert ist. Wenn nicht, wird auch der amerikanische Präsident die Sanktionen verschärfen und eine Militäraktion erwägen müssen. Auch in Afghanistan wird die Nato mit der von Angela Merkel favorisierten „vernetzten Sicherheit“ nicht weit kommen, wenn die Nato-Partner nicht bereit sind, mehr Geld zu geben, mehr zivilen Aufbau zu betreiben und diesen gerade in den umkämpften Gebieten des Landes auch mit mehr Soldaten abzusichern.

Der Wettbewerb der Ideen ist eröffnet

Obamas Wahl ermöglicht dem Westen, von neuem über die besten Konzepte zu diskutieren. „Die Welt hat sich verändert, und wir müssen uns mit ihr ändern“, hat der Präsident den Amerikanern in seiner Vereidigungsrede gesagt. Das gilt genauso für Europa. Die Europäer haben es sich zur schlechten Angewohnheit gemacht, auf die USA vor allem zu reagieren: Washington schlägt etwas vor und Europa verhält sich dazu. Das ist zu wenig. Joe Biden hat die Europäer nachdrücklich eingeladen, sich mit eigenen Konzepten in die Revision der Afghanistanpolitik einzubringen. Der Wettbewerb der Ideen ist also eröffnet.

Nun müssen die Europäer zeigen, dass sie auch Machbares vorzuschlagen haben, um den Krieg in Afghanistan zu gewinnen. Und dann auch sagen, was sie beitragen wollen, um ihren Konzepten zum Erfolg zu verhelfen.

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