California and Ireland – A Crisis in Common

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Der schöne Schein der Peripherie

Von Joachim Fritz-Vannahme | © ZEIT ONLINE 11.3.2009 – 14:53 Uhr

Irland gehört zu den Verlierern der Krise. Kalifornien auch. Wie reagiert die EU, was tut Washington?

Gestern war ihnen noch alle Bewunderung sicher. Irland, das Armenhaus Europas über Jahrhunderte hinweg, war plötzlich reich, jung, schön, modern. Eine Erfolgsgeschichte am Rande von Euro-Land. Und Kalifornien? Fun, Fun, Fun, jodelten einst die Beach Boys, ein Modellstaat der schönen Reichen von Hollywood bis in die Redwoods, das Traumfabrikwunderland mit Napa Valley (Wein) und Silicon Valley (Geist).

Perdu. Kalifornien geht in Washington betteln und Irland in Brüssel. Vier Millionen Menschen auf der Grünen Insel, 38 Millionen im Golden State sehen im Atlantik, im Pazifik ihre Felle davonschwimmen. Vorbei ist’s mit der herrlichen Randlage im Westen. Iren wie Kaliforniern droht die Zwangsräumung in ihren teuren Eigenheimen, der Verlust ihrer Arbeit (zuerst den Polen hier, den Latinos dort), kurz, eine düstere Zukunft mit Schulden, Schulden, Schulden.

Wo die Zahlen von solcherlei Verlusten künden, ähneln sie sich auf erschreckende Weise: Arbeitslos gemeldet sind derzeit rund zehn Prozent der Kalifornier, offiziell jedenfalls; in Irland dürften sie diese Schwelle in wenigen Wochen erreichen – wo man doch noch vor ein, zwei Jahren stolz gerade einmal vier Prozent meldete.

Verschuldet ist Kalifornien über beide Ohren, privat wie öffentlich, 42 Milliarden Dollar fehlen in der Steuerkasse. Arnold Schwarzenegger in seiner letzten, ohnmächtigen Rolle als “Terminator“ der Politik, wir hätten dem Gouverneur einen schöneren Abgang von der Bühne gegönnt. Der irische Premier Brian Cowen, von der Statur her einem Mister Universum eher unähnlich, hat die Muskeln wie sein berühmter Kollege spielen lassen, sein Budgetdefizit erreicht inzwischen zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dem einen wie dem anderen trauen die Fachleute nicht zu, ihre steile Talfahrt noch bremsen zu können.

Schuld sind natürlich Wall Street und City of London, wo die Spekulationsblase platzte und die Reichen in Irland wie in Kalifornien Federn lassen mussten. Nein, schuld sind auch die heimischen Politiker, die in guten Zeiten schlecht regierten und in schlechten Zeiten nun gar nicht mehr.

Cowen wurde von der Brüsseler EU-Kommission genau wie schon sein Vorgänger Bertie Ahern jahrelang gewarnt, da werde auf Pump gewirtschaftet, Preise und Löhne auf schwindelerregende Weise nach oben getrieben. Zugehört haben die beiden Iren nicht, schließlich waren ja alle glücklich auf der erfolgstrunkenen Tour, und die eigene Wiederwahl darum nur Formsache, trotz mancher Skandale.

Kalifornien ist stolz auf seinen Rang als achtgrößte Wirtschaftsmacht der Welt (immer im Clinch mit Frankreich, mal führt der eine, mal der andere, so viel zum Größenvergleich). Doch der Schein trügt längst, auf der Sonnenseite des Pazifiks sitzen prozentual mehr Menschen im Gefängnis als in China, und die löchrigen Straßen halten jeden Vergleich mit einem Drittweltland aus. Schwarzenegger kann nicht wiedergewählt werden, der Nachfolger oder die Nachfolgerin wird sich bettelnd an Washington wenden, genau wie der irische Premier das derzeit in Brüssel versucht.

Kleine Pointe am Rande: Wenn Kalifornien siech am Strand liegt, dann ruft das keine Untergangspropheten auf den Plan, die mit Blick auf die Bedeutung des Golden State für die United States gleich dem Dollar das Totenglöcklein läuten. Wenn hingegen das kleine Irland in stürmischer See Wasser schluckt, zerbrechen sie sich in Europa sehr wohl den Kopf darüber, ob der Euro das nun aushält. Dabei sind die Spielregeln in den Vereinigten Staaten von Amerika ziemlich genau dieselben wie in der EU: Seine marode Wirtschaft muss jeder Bundesstaat, pardon, jedes Mitgliedsland gefälligst selbst in Ordnung halten zuerst.

Zwei kleine Geschichten am Rande der großen Krise, mehr nicht. Aber doch ziemlich lehrreich, weil bekanntlich Hochmut vor dem Fall kommt. Oder zumindest Übermut: Fun, Fun, Fun.

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