Atlantische Gesten
VON CHRISTOPH VON MARSCHALL, WASHINGTON | © ZEIT ONLINE 27.6.2009 – 09:43 Uhr
Ton und Bild wollen nicht immer zueinander passen. Die Worte könnten herzlicher kaum sein. „Deutschland hat einen warmen Platz in meinem Herzen“, sagt Barack Obama, und schiebt als Begründung nach: „weil ich Angela Merkel mag.“ Er nennt sie „meine Freundin“.
Die Kanzlerin dankt umgekehrt für die zwei „bewegenden Besuche“ des Präsidenten in Deutschland. „Ich bewundere ihre Führungsfähigkeit“, lobt Obama gleich mehrfach in den nur 30 Minuten Pressekonferenz im Weißen Haus. „Wir sind uns einig“, leitet Merkel wiederholt ihre Bemerkungen zu einzelnen Sachthemen ein
Die Körpersprache liest sich lange anders. Nur einen Meter stehen sie auseinander im East Room des Weißen Hauses, hinter zwei blauen Rednerpulten mit hellbraunem Fuß, beide geschmückt mit Siegel samt Adler des US-Präsidenten. Es wirkt gleichwohl, als trenne sie eine unsichtbare Barriere.
Obama macht zwar eine Viertel Körperdrehung, wenn Merkel spricht und wendet sich ihr sichtbar zu. Aber seine Miene bleibt meist ernst und irgendwie geschäftlich. Die Kanzlerin blickt konzentriert, wenn der Präsident redet, mit den für sie so typischen, nach unten weisenden Mundwinkeln, die ihr, vielleicht ungewollt, ein skeptisches Aussehen verleihen. Beide nicken mitunter, um die Zustimmung zu den Erläuterungen des Anderen zu unterstreichen.
So bleibt der Eindruck: Da verstehen sich zwei sachlich ziemlich gut. Aber sie drücken das nicht mit Gesten persönlicher Zuneigung aus. Entweder liegt ihnen das nicht. Oder sie wollen es nicht.
Welch ein Unterschied zu den Treffen Merkels mit George W. Bush im Weißen Haus. Da schien es sich zum Großteil umgekehrt zu verhalten: Deutschland mochte ihm bei vielen politischen Zielen nicht folgen, vom Irakkrieg über die Methoden im Kampf gegen den Terror bis zu der langen Leugnung des Klimawandels und des menschlichen Handelns als eine Hauptursache der Erderwärmung. Bush versuchte diese Differenzen durch körperliche Annäherung zu überspielen.
Er beugte sich zur Kanzlerin hinüber, setzte ein werbendes Lächeln ein, zog sie sanft am Arm zu sich. Das war ihr vielleicht nicht immer recht; sie hielt ihn auch beim Händedruck auf Armes Länge von sich. Es gab ihr aber auch die Gelegenheit, sich Bushs Gunstbeweisen mit einem leicht verschämten Mädchenlächeln zu entziehen. Die körperliche Interaktion damals war unübersehbar. Bei Obama und Merkel fehlt sie weitgehend.
Der Wechsel in der Körpersprache zwischen altem und neuem US-Präsidenten gegenüber der Kanzlerin war schon bei den Begegnungen beim Finanzgipfel der G 20 in London zu beobachten, beim Nato-Treffen in Baden-Baden und Straßburg sowie bei seinem Besuch in Dresden und Buchenwald vor drei Wochen. Manche deutsche Medien interpretierten das als Beleg, Obama und Merkel könnten nicht gut miteinander. In den USA war Vergleichbares nicht zu hören.
Der Besuch der Kanzlerin dürfte solche Thesen widerlegt haben. Zweieinhalb Stunden nahm der Präsident sich Zeit für sie, erst 30 Minuten unter vier Augen, gefolgt von einer Arbeitssitzung, zu der Außenministerin Hillary Clinton, Verteidigungsminister Robert Gates und Finanzminister Tim Geithner hinzustießen, sowie einem Mittagessen. Angeblich hat Obama belustigt gefragt, was er tun könne, um die Gerüchte zu beenden.
Gesten der Ehrerbietung wurden Merkel in Washington zuteil. Die Präsidentin des Abgeordnetenhauses Nancy Pelosi, eine Demokratin und wie Merkel eine Befürworterin des Klimaschutzes, lud die Kanzlerin ein, demnächst eine Rede vor beiden Kammern des Kongresses zu halten. Auch die gemeinsame Pressekonferenz mit Obama wird nur wenigen ausländischen Gästen gewährt. Wegen des schwülen Wetters mit Regenrisiko wurde sie vom Rosengarten in den East Room verlegt; auch das eine Premiere.
Deren Hauptthemen sind der Umgang mit dem Machtkampf im Iran und der Klimaschutz. Zeitgleich berät das Abgeordnetenhaus einen Gesetzesentwurf zur Begrenzung der Treibhausgase und Amerikas Teilnahme am Emissionshandel. Der Inhalt liegt weit hinter den deutschen Klimazielen. Für die USA aber wäre es ein Riesenschritt nach vorn. Im Abgeordnetenhaus gibt es wohl eine Mehrheit dafür. Im Senat jedoch bisher nicht. Das verdüstert die Aussichten für die Klimakonferenz in Kopenhagen.
Beim Thema Iran bemühen sich Merkel und Obama um eine Balance zwischen klarer Solidarität mit den Demonstranten und dem Ziel, die Tür zu Gesprächen über ein Ende des Atomprogramms nicht zuzuschlagen.
Nur ganz am Ende kommen Heiterkeit und Herzlichkeit auf: als Obama gebeten wird, Deutschland einen Platz auf seiner emotionalen Landkarte zuzuweisen. Seine afrikanische Halbschwester Auma hat in Heidelberg studiert, „sie hatte eine klasse Zeit dort“, sagt er.
Abermals fließen Komplimente für Merkel: „Ich kann ihr vertrauen.“ Die flicht ein, dass sie die Passagen in Obamas Autobiografie über Auma in Heidelberg sehr genau gelesen hat. Nun lachen beide gelöst. Und auf einmal scheint es, als verständen sich die beiden auch persönlich ausgesprochen gut.
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