Statusmeldung: Bin im Krieg
Von Tina Klopp
7.10.2009
Twittern beim Militär: Das Pentagon will den Soldaten erlauben, im Einsatz soziale Netzwerke zu nutzen. Die Bundeswehr ist gegen das Bloggen aus dem Krieg.
Das amerikanische Verteidigungsministerium denkt derzeit darüber nach, seinen Truppen die Nutzung von Facebook, Twitter und Blogs zu erlauben. So steht es in einem aktuellen Entwurf, über den als erste die amerikanische News-Seite Nextgov berichtet hat.
Derzeit handhaben die diversen Einheiten des amerikanischen Militärs den Umgang mit sozialen Netzwerken und Blogs noch unterschiedlich. Den Marines wurde der Facebook-Zugang noch im August mit dem Hinweis untersagt, es gebe Bedenken wegen der Netzwerksicherheit. Währenddessen gestattete die Army ihren Truppen den Zugang zu Facebook schon im Juni ausdrücklich.
Keine Bedenken haben die Amerikaner, wenn es um die Öffentlichkeitsarbeit geht. Allein 4000 Menschen folgen den Twitter-Nachrichten des Verteidigungsministers. “Major C” sendet aktuelle Twitter-Meldungen aus Irak und Afghanistan in die Welt und betreibt das Blog “A majors perspective” (“Aus der Sicht eines Majors”). Als das US-Militär im Juni zwei Angehörige der Milizen in der Provinz Wardak in Afghanistan tötete, meldete das Militär den Vorfall über Twitter, noch bevor die Nachricht die klassischen Medien erreichte.
Twitter, Facebook und YouTube seien eine Waffe im Kampf um die öffentliche Meinung, sagt Greg Julian. Er ist Sprecher der US-Streitkräfte in Afghanistan. Es gehe darum, die eigene Version des Einsatzes erzählen zu können. Immer mehr Menschen informierten sich in alternativen Medienangeboten. Man versuche, den mutmaßlichen Fehlinformationen der Taliban entgegenzuwirken.
Auf der Facebook-Seite des US-Militärs könnten Militärangehörige beispielsweise auch Geschichten und Fotos posten, die es sonst nie in die klassischen News geschafft hätten, oder detailliert über Entwicklungsprojekte berichten. Julian bezeichnet die Möglichkeiten als eine “ungefilterte” Chance für die Öffentlichkeit, mit den Truppen in Kontakt zu treten. Dabei sei längst nicht jeder Beitrag positiv, denn Kritik unterdrücke man nicht.
Vergleichbare Angebote fehlen bei der Bundeswehr. “Einer offenen und glaubwürdigen Informationspolitik wird bei der Bundeswehr ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt”, ließ sich Klaus-Uwe Tautges, Sprecher Medien beim Verteidigungsminsterium von einer Nachrichtenagentur zitieren. Man nutze aber keine sozialen Netzwerke, auch nicht für spezielle Kommunikationszwecke. Die Truppeninformation finde im Intranet statt, das für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sei. “Was die Versorgung der Öffentlichkeit mit Informationen betrifft, setzen wir auf unseren eigenen Webauftritt, auf dem wir regelmäßig die neuesten Meldungen einstellen”, sagte Tautges.
“Ich glaube, man muss zwei Dinge ins Gleichgewicht bringen”, sagte Price Floyd, Experte für soziale Netzwerke im amerikanischen Verteidigungsministerium, in einer Sendung des Radioformats Talk of the Nation. “Wenn früher ein Soldat der Luftwaffe oder Marine einen Brief an seine Familie geschickt hat, und darin möglicherweise sensible Informationen standen, dann haben das zwei oder drei Menschen gelesen.” Das Problem mit sozialen Netzwerken sei, dass Informationen über Twitter oder Facebook von Tausenden von Leuten und zwar sofort gesehen werden, sagte Floyd in der Sendung. “Ein Fehler hat dadurch viel schlimmere Konsequenzen als früher.”
Die meisten Hörer der Radiosendung zeigten Verständnis für die Bedenken. In einem Höreranruf erzählte eine junge Frau namens “Kira”, sie telefoniere fast täglich über Skype mit ihrem im Irak stationierten Freund. Aber sie seien sehr vorsichtig mit konkreten Informationen, die den Einsatz beträfen. So sprächen sie etwa nie darüber, was seine Einheit gerade an diesem Tag gemacht habe. “Hat man euch gebeten, vorsichtig zu sein?”, fragte der Radiomoderator. “Nein”, antwortete Kira. “Wir wussten das auch so.” Sie bat darum, andere Angehörige ebenfalls davon abzuhalten, die Truppe in Gefahr zu bringen.
Auch der Blogger “Embedded in Afghanistan”, der kürzlich von seinem Einsatz als Trainer der Afghan National Army heimgekehrt ist, kann die Sicherheitsbedenken des Militärs grundsätzlich verstehen. In einem Posting schreibt er: “Das Pentagon hat jedes Recht, besorgt zu sein. Die öffentliche Meinung ist entscheidend für den Kriegserfolg.” Er schreibt allerdings auch, dass seine Seite im Schnitt fünfzig Leser am Tag habe, und es sich deshalb kaum lohnen dürfte, sein Blog zu kontrollieren.
Auch die Briten bloggen eifrig aus dem Einsatzgebiet, genauer gesagt aus der Provinz Helmand. Den Helmand Blog betreut Major Paul Smyth vom Medienteam der britischen Streitkräfte. Aktuell heißt es auf der Seite: “Mit großen Bedauern muss das Verteidigungsministerium den Tod von Marcin Wojtak aus dem Regiment der Royal Air Force bekannt geben.” Es folgt ein langer Text zu den Verdiensten des getöteten Soldaten, Stimmen aus der Familie werden zitiert.
So offensiv geht man bei der Bundeswehr mit dem Tod von Soldaten nicht um. Einträge zu dem Suchwort “Afghanistan” sucht man im Bundeswehr-Blog ohnehin vergeblich. Auch die Twitter-Suche nach Bundeswehrsoldaten ist wenig ergiebig. “Eine inhaltliche Kontrolle etwa von Blogs und Twitter-Foren ist allein aufgrund der Vielzahl unmöglich”, sagt Arne Collatz-Johannsen, Sprecher des Heeres bei der Bundeswehr. Die geltenden Regeln, wie die Soldaten in der Öffentlichkeit zu kommunizieren haben, seien bereits durch diverse Gesetze geregelt, etwa durch das Soldatengesetz. Danach sind Soldaten verpflichtet, “Verschwiegenheit in wesentlichen Angelegenheiten zu bewahren” und “das Ansehen der Bundeswehr nicht zu beschädigen”.
Öffentlich gemachte, persönliche Erfahrungen von Einzelpersonen oder Soldaten könnten komplexe Zusammenhänge meist nur unvollständig wiedergeben und seien hinsichtlich der Einschätzung ihrer Wirkung in der Öffentlichkeit unkalkulierbar, erklärt Collatz-Johannsen. “Verfasser öffentlicher Tagebücher kennen nur die persönliche Sichtweise und verbreiten damit oft Halbwahrheiten. Eine Mücke wird da schnell zum Elefanten, und in der Innenpolitik kann der Inhalt von Blogs zum Spielball parteipolitischer Interessen werden.”
Die Bundeswehr rate ihren Soldaten daher davon ab, soziale Medien für Meinungsäußerungen zu nutzen. Es gebe aber kein ausdrückliches Verbot, stellt Collatz-Johannsen klar. Bislang habe es auch noch keinen Fall gegeben, in dem eine Äußerung genauer hätte geprüft werden müssen.
Thomas Schneider, Betreiber des Weblogs Sicherheitspolitik kennt einen möglichen Grund für so viel vorauseilenden Gehorsam. “Wenn ich persönlich aktiver Soldat wäre, würde ich mir eindeutigere Regeln der Bundeswehr wünschen”, sagt Schneider. Die aktuelle Lage sei so uneindeutig, dass man als aktiver Soldat nur durch Verzicht auf Äußerungen das Risiko von Verstößen ausschließen könne.
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