Gates Gets Off the Fence

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“Wie Gates, Herr Verteidigungsminister?”

Von Josef Joffe

Im Washingtoner Gewoge um mehr Truppen in Afghanistan schlägt sich der Pentagonchef vorsichtig auf die Seite des Befehlshabers Stanley McChrystal. Ein Kommentar

Sie nennen den Oberbefehlshaber in Afghanistan, Stanley McChrystal, schon Stanley MacArthur – nach dem legendären Kriegsherrn in Korea, Douglas MacArthur. Der wurde von Präsident Harry S. Truman 1951 gefeuert, weil er sich immer wieder gegen dessen Strategie der begrenzten Kriegsführung in Korea aufgelehnt und so das Prinzip der zivilen Oberherrschaft attackiert hatte.

Soviel Aufmüpfigkeit darf man McChrystal keineswegs ankreiden. Doch von ihm kommen seit Monaten all die Hiobsbotschaften aus Afghanistan, wonach der Krieg verloren ginge und er deshalb eine kräftige Truppenaufstockung brauche. Allerdings ist es nicht nur ein Streit der Uniformierten gegen die Zivilisten, sondern auch ein Hin und Her im Zentrum der Regierung Obama. Vizepräsident Biden argumentiert seit Monaten gegen einen Surge, also die Verstärkung, weil Pakistan die wichtigere Arena sei. Außenminister Clinton und Verteidigungschef Gates aber halten dagegen: Afghanistan und Pakistan seien bloß zwei Seiten derselben Medaille.

Der neueste Dreh: Pentagonchef Robert Gates ist halb aus der Deckung gegangen. Ohne sich selber zu entblößen, hat er den Antrag McChrystals auf bis zu 40.000 Soldaten mehr kommentarlos an den Präsidenten weitergeleitet. Das ist sozusagen ein unausgesprochenes Votum dafür. Doch der Konflikt hat inzwischen auch den Kongress erreicht. Der Chef des Streitkräfteausschusses im Repräsentantenhaus, der Demokrat Ike Skelton, meint, Obama sollte sich an den Rat des Vier-Sterne-Generals halten: “Ich denke, McChrystal is der Ulysses Grant unser Tage.” (Grant war der Mann, der den Norden zum Sieg gegen den Süden im Bürgerkrieg führte).

Der mächtige Senator Carl Levin, der den Streitkräfteausschuss im Senat leitet, hat sich auf ein Sowohl-als-auch verlegt: “Wir brauchen vorweg einen Surge der afghanischen Armee, bevor wir mehr US-Truppen in die Schlacht werfen.” Derweil scheint sich Obama in eine ganz andere Richtung zu bewegen. In seiner unbestimmten Art scheint er den Krieg gegen die Taliban irgendwie beenden, zumindest herunterfahren zu wollen. Die wahre Bedrohung komme von al-Qaida in Pakistan, deutet er an. Die Taliban wollten bloß die Herrschaft über Afghanistan wieder erringen, aber nicht die USA angreifen.

Hier scheint sich eine Exit-Strategie anzubahnen. Sie könne etwa so aussehen: In Afghanistan hören die US-Truppen damit auf, die Taliban vor sich her zu treiben und ziehen sich in ihre Stützpunkte zurück. Von dort bekämpfen sie al-Qaida per Special Forces und Drohnen in Pakistan. Ein Mann aus dem Weißen Haus, der anonym bleiben will, erklärt den Prämissen-Wechsel so: “Al-Qaida bedroht Amerika und seine Interessen im Ausland; außerdem hat sie eine Mord-Agenda. Wir wollen ihre Führung, Infrastruktur und Kampffähigkeit zerstören.”

Man wolle aber erst, fügt er hinzu, den “strategic review”, die systematische Überprüfung der Gesamtstrategie, abwarten, bevor man Entscheidungen treffe. Dass sich aber die Entscheidungsfindung in Richtung einer “minimalistischen” Afghanistan-Strategie neigt, zeigt der etwas ungewöhnliche Schritt des ansonsten zurückhaltenden Verteidigungsministers, den Antrag von McChrystal nach mehr Truppen für Afghanistan ans Weiße Haus weiterzuleiten. Das Signal an Obama: “Herr Präsident, ich glaube, Sie sollten auf Ihren Mann an der Front hören.”

Möglich, dass Obama ein bisschen von beidem tut: Etwas mehr Truppen für Afghanistan, etwas mehr Kampf in Pakistan. Im Krieg markiert das halbherzige Sowohl-als-auch selten den Weg zum Sieg. Umso weniger als Amerikas Mann in Kabul, Präsident Karzai, sich auf die trapsende Nachtigall einstellen und ein Arrangement mit den Taliban anstreben wird. Und in Islamabad werden sie nicht sehr glücklich darüber sein, dass Obama den Krieg nach Pakistan verlegen will.

Für Obama war Afghanistan der “gute”, Irak der “böse” Krieg. Es sieht nun so aus, als wolle er beide recht bald loswerden – zumindest auf ein Niveau herunterfahren, das viel weniger amerikanisches Blut und Gut kostet. Man darf gespannt darauf sein, was die Afghanen und Iraker in den nächsten Tagen dazu sagen werden.

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