Obama’s Trial by Fire

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Obamas Feuerprobe

Von Josef Kirchengast

30. Dezember 2009

Auch unter akuter Terrorbedrohung heiligt der Zweck nicht die Mittel

Zwei der vier Drahtzieher des vereitelten Flugzeugattentats von Detroit dürften ehemalige Insassen des US-Gefangenenlagers Guantánamo sein. Dessen Schließung war ein zentrales Wahlversprechen Barack Obamas. Nicht nur für die Gegner des Präsidenten stellen die jüngsten Ereignisse die Auflassung des Camps ernsthaft infrage. Ja, sie belegen geradezu dessen Notwendigkeit.

Diese Argumentation verwechselt Ursache und Wirkung. Menschen auf bloßen Verdacht hin und im Zustand völliger Rechtlosigkeit festzuhalten, sie also der menschlichen Würde zu entblößen, ist eine Schande für das Land, das sich als Bannerträger von Demokratie und Menschenrechten versteht. Auch unter akuter Terrorbedrohung heiligt der Zweck nicht die Mittel – die Mittel entheiligen den Zweck.

Das ist das entscheidende Argument gegen Guantánamo. Nichts hat sich daran mit der jüngsten Entwicklung geändert. Im Gegenteil. Sie ist viel eher der Beweis dafür, dass das Lager, statt potenzielle Terroristen unschädlich zu machen, erst recht welche produziert. US-Geheimdienstleute, und nicht nur sie, wissen, dass im Al-Kaida-Netzwerk gerade mit dem Kampfbegriff Guantánamo neue Kämpfer gegen den Erzfeind rekrutiert werden. Wie auch anders? Ein besserer Beweis für die von den Islamisten behauptete Doppelmoral des Westens lässt sich schwerlich finden.

Weicht Obama jetzt dem innenpolitischen Druck, dann kann er nicht nur alle bisherigen und künftigen Gesten gegenüber der islamischen Welt vergessen. Dann gibt er sein größtes Kapital preis: seine Glaubwürdigkeit.

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