George W. Bush und Blackwater
Von Nicolas Richter
13.01.2010
Die Blackwater-Söldner, die im Herbst 2007 mehrere irakische Zivilisten erschossen haben, sind freigesprochen worden. Nun ist die Urteilsbegründung öffentlich – und benennt die wahren Schuldigen.
Schüsse im rechtsfreien Raum
Der amerikanische Richter Ricardo Urbina wird gewusst haben, dass er sich viele Feinde machen würde: seine eigene Regierung, aber auch weite Teile der islamischen Welt, ja der Weltöffentlichkeit überhaupt. Urbina hat zur Jahreswende die Anklage gegen fünf amerikanische Söldner verworfen; sie sollten vor Gericht stehen, weil sie im Herbst 2007 in Bagdad um sich geschossen und dabei 14 Zivilisten getötet hatten.
Nach allem, was über den Vorfall bekannt ist, töteten die Angestellten des privaten Sicherheitskonzerns Blackwater ohne Grund mit blinder Gewalt, und doch soll es keinen Strafprozess gegen sie geben, weil Richter Urbina Verfahrensfehler erkannt hat, so schwer, dass die Söldner nun eben davonkommen sollen, während in Bagdad die Familien der Toten und Verletzten noch um eine Entschädigung kämpfen.
Im Irak, und nicht nur dort, sieht man sich wieder einmal darin bestätigt, dass Amerikaner sich im Ausland alles erlauben können, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Und doch verdient es Richter Urbina, dass sein jetzt veröffentlichter, 90-seitiger Beschluss gelesen wird. Der ist – paradoxerweise – ein glühendes Plädoyer für Rechtsstaatlichkeit in Zeiten von Krieg und Antiterrorkampf und vor allem eine Warnung davor, was passiert, wenn Regierungen den Krieg privatisieren, ihn an Sicherheitskonzerne delegieren und auf eine Ebene verlagern, wo schwerbewaffnete Männer jedem Gesetz entzogen sind.
Immunität für Söldner
Als Ursache der missratenen Strafverfolgung hat Urbina eine Vorschrift ausgemacht, die während der Regierungszeit von Präsident George W. Bush im US-Außenministerium entstand und die die Kooperation mit privaten Sicherheitsfirmen wie Blackwater regelte: Diesem “Hunter-Memorandum” zufolge musste jeder Söldner nach einer Schießerei sofort über den Vorfall berichten.
Der Deal lautete so: Der Söldner muss aussagen oder er verliert seinen Job. Sobald er aber berichtet, dürfen seine Aussagen nicht in einem Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. So stand es wörtlich in den Formularen, die die Blackwater-Männer nach der fatalen Schießerei in Bagdad ausfüllen mussten, und so hatte man es ihnen auch bei der Ankunft im Irak erklärt.
Gleich nach dem blutigen Zwischenfall am 16. September 2007 wurden die Mitglieder des Blackwater-Teams namens Raven 23 von US-Beamten vernommen. Im Wesentlichen sagten die Söldner aus, ein verdächtiger weißer Wagen sei auf sie zugerast, womöglich mit einer Bombe, überdies hätten sie Schüsse vernommen und sich also selbst verteidigt.
Binnen weniger Tage sickerten nicht nur diese Aussagen in die Medien, sondern auch der Umstand, dass die US-Regierung den Söldnern eine Art strafrechtliche Immunität versprochen hatte. Die US-Öffentlichkeit und der Kongress waren empört und die Regierung Bush betrieb dann doch strafrechtliche Ermittlungen gegen die Blackwater-Leute.
Es stellte sich heraus, dass sie offenbar unkontrolliert in die Menge geschossen hatten. Schon in jenem Herbst warnten Regierungsjuristen vergeblich vor zwei wichtigen Präzedenzfällen.
Erstens: Das US-Recht erlaubt es nicht, dass sich jemand im Strafverfahren selbst belastet, etwa deswegen, weil man ihm mit Kündigung droht. Zweitens: Wenn dies doch geschieht, muss die Anklage beweisen, dass sie ihre Vorwürfe eben nicht auf diesen Aussagen aufgebaut hat.
Rechtsverdreher der Regierung
Richter Urbina aber hat nun festgestellt, dass der gesamte Fall von diesen “verbotenen Früchten” genährt war. Die Ermittler konnten dem gar nicht entgehen, weil alle Medien ausführlich darüber berichteten, was die Verdächtigen gesagt hatten. Alle Zeugenbefragungen fußten auf den Aussagen der Blackwater-Leute.
Die US-Staatsanwälte hielten dagegen, die meisten Söldner hätten Selbstverteidigung geltend gemacht und sich damit ja gerade nicht selbst belastet. Urbina widersprach: Die Söldner hätten doch immerhin im Detail geschildert, wer wo stand, wer wann wohin geschossen habe. All dies sei in die Anklage eingeflossen. Wie Urbina findet, hat die US-Regierung “komplett darin versagt”, die Söldner zu belasten, ohne dabei deren Aussagen zu verwenden.
Urbina, 63, von dem einstigen Präsidenten Bill Clinton an das Bundesgericht berufen, gilt nicht als Hardliner oder Freund jener Regierung Bush, die Blackwater so viele Aufträge erteilte. Mehrmals hat Urbina zugunsten von Guantanamo-Häftlingen geurteilt.
Im Fall Blackwater mag sein Beschluss skandalös anmuten, weil er Feinheiten der US-Verfassung ausbreitet, um jene zu beschützen, die im Irak Unschuldige töteten. Urbina scheint nicht einmal daran zu zweifeln, dass die Söldner Totschlag begangen haben. Aber der Richter ist auch “nicht bereit, die rücksichtslose Verletzung verfassungsmäßiger Rechte durch die Regierung zu entschuldigen”.
Damit stößt die Aufarbeitung des Unrechts durch die Blackwater-Söldner auf ähnliche rechtliche Probleme wie die Auflösung von Guantanamo. Solche Schwierigkeiten entstehen, wenn Regierungen wie jene von George W. Bush mit dem Recht spielen, es wahlweise für manche einschalten und für andere ausschalten. Die US-Justiz wird das noch lange beschäftigen.
Gerade erst wurden wieder zwei Söldner einer Blackwater-Tochter angeklagt: wegen mutmaßlichen Mordes in Afghanistan. Außerdem untersuchen Ermittler Vorwürfe gegen Blackwater wegen Waffenschmuggels und Bestechung im Irak.
Dort buhlt Blackwater, das sich in “Xe” umbenannt hat, weiter um Aufträge, obwohl es nach der Schießerei zunächst die Lizenz verlor. US-Präsident Barack Obama hat das Söldner-Unwesen oft kritisiert, aber ganz kann auch er nicht darauf verzichten: Söldner sind schlicht billiger als Soldaten.
(SZ vom 13.1.2010/bavo)
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