Lange Rede ohne Sinn
von Barbara Vorsamer
21.01.2010
Präsident Obama hat im US-Senat eine satte Mehrheit, seine Reformen können trotzdem scheitern – an störenden Dauerreden der Opposition. Demokratisch ist das nicht.
Nach der verlorenen Wahl von Massachusetts hat US-Präsident Barack Obama noch 59 von 100 Senatoren auf seiner Seite – eigentlich immer noch eine satte Mehrheit. Doch sie wird den Demokraten nicht reichen, um die ambitionierten Ziele in der Gesundheits-, Klima- und Finanzpolitik durchzubringen.
Schuld daran ist ein winziger Passus in der Geschäftsordnung des Senates. Er erlaubt jedem einzelnen Senator, mit einer Rede die Tagesordnung über den Haufen zu werfen. Für die Länge dieser Rede gibt es keine Begrenzung. Mit einem sogenannten Filibuster kann jegliches Gesetzesvorhaben der Regierung auf unbestimmte Zeit blockiert werden – es sei denn, diese hat eine Mehrheit von 60 Stimmen. Nur mit dieser Supermehrheit kann ein Filibuster verhindert werden.
Zu dieser fehlt Obama nun eine Stimme. Das bringt seine komplette Agenda ins Wanken. Dass jedoch eine Regierung, die über eine Mehrheit von 59 Prozent verfügt, ihre Gesetze nicht durchbringen kann, widerspricht demokratischen Grundprinzipien.
Die Filibuster-Praxis führt dazu, dass die Minderheit die Mehrheit erpresst, heutzutage mehr als jemals zuvor. Während 1960 nur acht Prozent aller Gesetze von einem Filibuster bedroht wurden, waren es 1980 schon 27 Prozent. Aktuell reicht für mehr als zwei Drittel aller Abstimmungen die normale Mehrheit nicht aus, weil die Opposition einen Filibuster androht.
Der Aufwand dafür ist gering. Nur noch selten muss ein Senator tatsächlich aufs Rednerpult steigen und 24 Stunden lang Kochrezepte vorlesen, wie es Senator Strom Thurmond 1957 tat, um die Gleichberechtigung von schwarzen Amerikanern zu verhindern. Seine Rede ging als der längste Filibuster in die Geschichte der USA ein.
Heute ist es in der Praxis üblich, dass die Minderheit den Filibuster lediglich ankündigt – und die Regierung versucht, 60 Stimmen zusammenzukratzen, um die noch gar nicht begonnene Dauerrede zu verhindern.
Optimistische Zeitgenossen glauben, dass die Inflation der Filibuster die beiden US-Parteien zu mehr Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft zwingt. Doch wer realistisch ist, weiß: Sie führt zu zunehmender Polarisierung. Der Gesetzgebungsprozess dauert wegen der Blockaden immer länger, und die Regierung muss sich immer öfter die Zustimmung einzelner Senatoren mit teuren Sonderzuwendungen für deren Bundesstaaten erkaufen.
Dass eine Minderheit von 41 Prozent auf diese Weise die Ziele einer durch Wahl legitimierten Mehrheit torpediert, ist zutiefst undemokratisch. Amerika sollte den Filibuster abschaffen.
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