On Lecturing in Washington on Valentine’s Day

Edited by Laura Berlinsky-Schine

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Über Vorträge am Valentinstag in Washington

Von Paul Hockenos

16. Februar 2010,

Mit manchen Feiertagen ist es so eine Sache. Valentinstag und Halloween zum Beispiel sind uns eher fremd. In Amerika aber schwer angesagt. Ein Bericht darüber wie man mit roten Rosen danebenliegen kann. Und mit Vorträgen zur falschen Zeit am falschen Ort aber auch.

Trotzig habe ich alle europäischen Versuche, amerikanische Feiertage wie Valentinstag oder Halloween nachzuahmen, immer abgelehnt. Sicher, beide haben europäische Wurzeln. Aber in ihrer heutigen, kommerziellen Form sind beide definitiv amerikanisch. Den Valentinstag habe ich ignoriert aus einer Mann-gegen-die-Globalisierung-Haltung heraus. Oder vielleicht einfach nur, weil ich solo war. Dann traf ich vor vielen Jahren die Schwäbin meiner Träume und kaufte ihr ein Dutzend roter Rosen. Sie freute sich, war aber vor allem verblüfft. „Es ist Valentinstag“, sagte ich ernüchtert. Die romantische Geste fiel in sich zusammen.

Danach vergaß ich den 14. Februar, bis er mir im vergangenen Jahr wieder einfiel – aber da war es schon zu spät. Ich war in Washington, wo ich einen Vortrag halten sollte. Viele meiner Freunde fragten verärgert, warum ich ausgerechnet am Valentinsabend vortragen müsse. Wer würde schon kommen? Jeder führe doch seine Liebste aus. Nur deutsche Grüne und ein leicht verwirrter Expat konnten in diesen Fettnapf treten.

Wie kann man bloß am Valentinstag einen Vortrag halten?!

Ähnlich skeptisch beobachtete ich, wie mehr und mehr deutsche Kinder Halloween feierten. Aber sie schienen es so zu genießen, dass ich nachgab und einen Vorrat Duplos anlegte. Und tatsächlich, am Abend fand ich sechs verkleidete Kinder vor meiner Tür. Aber ich hatte nur fünf Duplos! Ich versprach, es am nächsten Tag wieder gutzumachen.

Doch dann geschah etwas, was mir so klar wie selten ins Bewusstsein holte, dass die kulturelle Kluft zwischen Amerika und Europa so leicht nicht zu überwinden ist. Die Kinder antworten lässig: „Kein Problem, wir teilen das eh auf“ – und warfen die Duplos in einen Sack.

Sozialdemokratisches Halloween

Ich kriegte den Mund nicht zu. Einen Moment hielt ich den Atem an: Die Beute teilen? Offensichtlich wussten diese kleinen Deutschen nicht, was der eigentliche Spaß an Halloween war, nämlich mehr und besseres Süßes zu ergattern als die Freunde. Und in der Nacht beginnt man zu handeln: sechs Pfefferminz gegen drei Duplos, drei Duplos gegen ein Snickers. Ein Sack? Sozialdemokratisches Halloween? Ich fühlte mich plötzlich sehr weit weg von zu Hause, aber sehr froh, dass die Globalisierung an ihre Grenze gestoßen war und ich auf der richtigen Seite des Atlantiks stand.

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