Cuddling and Scolding

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US-Präsident Obama ist nett zu Israels Premier Netanjahu, der Streit um den Siedlungsbau ist zu den Akten gelegt. Doch klar ist auch: Amerika und Israel verfolgen keinen gemeinsamen Kurs mehr.

Sie wollen wieder Freunde sein. Wort- und gestenreich haben Amerikaner und Israelis nach dem großen Knall nun ihren Bund bekräftigt. US-Außenministerin Hillary Clinton verspricht, die USA stünden “felsenfest” an Israels Seite, Präsident Barack Obama empfängt Premierminister Benjamin Netanjahu zum Plausch im Weißen Haus, und am Ende der politischen Schmuserei sind zwei Dinge klar. Erstens: Der Streit um Israels jüngste Baupläne im arabischen Ostteil von Jerusalem wird zu den Akten gelegt. Zweitens: Der nächste Streit kommt bestimmt.

Denn hinter all den Freundschaftsbekundungen und Sicherheitsgarantien tut sich ein Graben auf in den Beziehungen zwischen den USA und Israel. In den Kernfragen – im nahöstlichen Friedensprozess ebenso wie im Umgang mit der iranischen Atombedrohung – verfolgen die beiden Regierungen einen konträren Kurs. So will Washington binnen zwei Jahren einen Palästinenserstaat gegründet sehen, und ein Gutteil von Obamas außenpolitischer Glaubwürdigkeit ist mit einem Erfolg in Nahost verknüpft.

Die Regierung in Jerusalem aber hat es damit gar nicht eilig und scheut vor allem notwendige Konzessionen wie die Aufgabe von Siedlungen. In der Iran-Frage setzt Obama immer noch darauf, mit einer möglichst breiten internationalen Koalition das Teheraner Regime durch Sanktionen in die Knie zu zwingen. Im Hintergrund aber gefährdet Israel diese zweifellos mühsame Politik mit seinen Angriffsdrohungen.

Sehr deutlich war aus Washington nun überdies zu hören, dass Israels Siedlungs-Politik die Sicherheit der US-Soldaten in Irak und Afghanistan verschlechtere. Und nicht einmal der beste Freund darf ungestraft gegen Amerikas ureigenste Interessen arbeiten.

Der jüngste Streit um den Bau von 1600 neuen Wohnungen in Ramat Schlomo war also vor allem ein willkommener Anlass für die Obama-Administration, Israels Premier einmal Grenzen aufzuzeigen. Netanjahu, der sich gern als größter Taktierer diesseits des Jordans feiern lässt, sollte nach allen Regeln der diplomatischen Kunst eine Lektion erteilt werden.

Nicht nur aus den USA kam ein Trommelfeuer von Vorwürfen und Forderungen, auch die EU und die Vereinten Nationen wurden eingespannt. Schließlich wurde sogar Angela Merkel ins Feld geschickt, die Kanzlerin gilt als größte Freundin Israels. Offenbar auf Bitten Washingtons las auch sie Netanjahu am Telefon die Leviten wegen der Siedlungspolitik. Deutlicher geht es kaum. Die Frage ist nur, ob der israelische Premier die Botschaft wirklich schon verstanden hat.

Zwar hat er vor seiner Abreise in die USA ein ganzes Bündel von Zugeständnissen gemacht, die den Start neuer Friedensgespräche mit den Palästinensern erleichtern sollen – von der Lockerung der Gaza-Blockade bis zur Freilassung palästinensischer Gefangener. Nur so hat er sich die Eintrittskarte fürs Weiße Haus am Dienstagabend verdient. Aber in der Kernfrage des Streits hat er nicht nachgegeben, und auch auf amerikanischem Boden hat er darauf beharrt: Bauen in ganz Jerusalem ist seiner Regierung heilig. Jerusalem sei keine Siedlung, sagt Netanjahu, sondern Israels Hauptstadt.

Tatsächlich setzt er damit nur eine Politik fort, die alle israelischen Regierungen in den vergangenen 40 Jahren verfolgt haben. Die USA haben das zum Beispiel noch bei Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert stillschweigend geduldet. Aber Olmert hat auch anders als Netanjahu ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern geführt.

Dass die US-Regierung nun den Streit um die Jerusalemer Baupläne für beendet erklärt, hat vor allem einen Grund: Sie hat gegenüber Netanjahu ihren Punkt gemacht, nun will sie nach vorn blicken und endlich die indirekten Friedensgespräche starten. Hier wird sich erweisen, wie weit die Freundschaft wirklich trägt. Und Präsident Obama wird sehen wollen, wie viel Netanjahu dafür zu tun bereit ist.

(SZ vom 24.03.2010/woja)

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