Keep America Scared: A Cheney Family Tradition

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Dick Cheneys Tochter liebt politischen Nahkampf

Von Uwe Schmitt

4. April 2010

Kritiker nennen sie rechte Dschihadistin oder Sarah Palin mit Stammbaum: Liz, die Tochter des ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney, hält die Familientradition hoch – mit Aggressivität, Verleumdungen und Geschichtsfälschung. Eine beachtliche politische Karriere bahnt sich an.

Es sollte ein vernichtendes Kompliment sein: Ein Kritiker nannte Liz Cheney „Sarah Palin mit Stammbaum“, ihres noblen Jurastudiums und der Herkunft aus der Familie eines US-Vizepräsidenten wegen. Ein anderer erhob sie zur rechten Dschihadistin, ein Dritter bescheinigte ihr die rüden Manieren ihres Vaters. Ihre bei Talkshows binnen Sekunden heißlaufende Rhetorik habe die Fairness und den Charme eines Partisanenhinterhalts.

Die 43-Jährige sei Dick Cheneys ideologische Erbin und seine rechtmäßige Anwältin, sagen ihre Bewunderer wie Verächter – ganz der Alte. Ohne widerwilligen Respekt empört sich niemand über Elizabeth Cheney Perry. Jene, die entzückt sind von Thesen, die ihren Vater rechts überholen, flüstern von einer Kongress-Kandidatur 2012.

Die Cheneys, weniger Familie als Kampfverband

Die Cheneys dementieren selten und beklagen sich nie. Sie sind, so scheint es, zumal im Vergleich mit der Familie des stillen Pensionärs und Memoirenautors George W. Bush, weniger Familie als Kampfverband. Während sich Bush mit erkennbarer Erleichterung in den Ruhestand zurückzog, legte Dick Cheney nur eine Anstandspause ein.

Barack Obama war kaum Präsident, als sich Cheney lautstark und mit einem munteren Revisionismus zurückmeldete. Bush/Cheney hätten Amerikas „Krieg wider den Terror“ im Irak und in Afghanistan geführt und so die Nation geschützt, beharrte der Ex-Vizepräsident.

Obama spreche nicht nur nie vom Antiterrorkrieg, er verweigere ihn. Lieber wolle er die Gesellschaft nach sozialistischem Ideal umbauen. Dick Cheney füllte mit Macht das Führungsvakuum der Republikaner. Und nahm die Tochter mit zur Arbeit.

Liz Cheney, Mutter von fünf Kindern, einst Nahost-Expertin im Außenministerium, profilierte sich als seine aggressivste Verteidigerin. Liz nahm die Stichworte des Alten auf und spitzte sie zu. Zusammen mit Verbündeten wie Karl Rove, William Kristol und Rudy Giuliani brachte Liz in den Talkshows in Umlauf, dass es unter Bush/Cheney „keinen Terroranschlag auf Amerika“ gegeben habe.

Selbst Giuliani, New Yorks Bürgermeister und Held von „9/11“, verstieg sich zu der Kühnheit, die Anschläge in Bill Clintons Ära zurückzuverlegen. Nach der vereitelten Attacke des Weihnachtsbombers über Detroit war den Cheneys klar, dass Präsident Obamas Feigheit vor dem Feind die Beinahekatastrophe heraufbeschworen hatte.

Kenner der Familie berichten, Liz Cheney treibe ihren Vater in die Öffentlichkeit, entgegen einer langen Tradition der Zurückhaltung bei Kritik an Amtsnachfolgern. Liz habe ihn auch überzeugt, an seinen Memoiren zu arbeiten. Dick Cheneys rüde Manieren („Go fuck yourself“) sind bekannt. Was das Volk und die Nachwelt von ihm denken, ist ihm gleichgültig. Die Tochter hingegen hat offenkundig noch etwas vor mit dem Namen Cheney.

Die meisten Amerikaner hegen für Königshäuser und Dynastien aller Art die milde Verachtung der ältesten Demokratie der Welt. So glauben sie. Und verhalfen früh John Adams und seinem Sohn Quincy zur doppelten Präsidentenwürde. Die Roosevelts waren verwandt. Die Kennedys erlebten den dynastischen Anspruch als tödlichen Fluch. George Herbert Walker Bush und sein George W. endlich sollten die vermeintliche Allergie gegen vererbte Macht ad absurdum führen.

Amerikas Regenbogenpresse verfolgt mit Wonne Megan McCain, Chelsea Clinton und Ben Quayle und frohlockt bei den kleinsten Anzeichen für politische Ambition. Bei Liz Cheney war es nicht anders. Noch ihrer drei Jahre jüngere Schwester Mary, die in einer (inzwischen) offenen lesbischen Partnerschaft lebt und einen Sohn hat, wurde mindestens der Status einer Aktivistin angedichtet.

Marys und Liz’ Mutter Lynne, Jahrgang 1941, hatte es viele Jahre lang vorgemacht: an der Spitze von konservativen Stiftungen, als Autorin und Talkshow-Moderatorin. Dick Cheney ist sein Leben lang umgeben von starken, meinungsstarken Frauen. Und das spricht wahrlich nicht gegen ihn. Es war Mary Cheneys Einschätzung vom September 2009, die erzkonservativen Amerikanern aus der Seele spricht: „Ich glaube, man hätte die größte Mühe, auch nur einen Spalt Tageslicht zwischen Liz’ Ansichten und denen meines Vaters zu finden.“ Dann fuhr Mary Cheney fort: „Nicht weil sie indoktriniert wurde, sondern weil er recht hat.“

Beachtliche Überlebenskunst

Fünf Herzinfarkte hat der 69-jährige Cheney überstanden, den ersten 1978 mit 37 Jahren, den letzten, milden, in diesem Februar. Dass er noch lebt, zeugt nach Auskunft seiner Ärzte von den Fortschritten der Pharmaindustrie und der Früherkennung von Infarkten, die man früher so nicht einmal genannt hätte. An der Spitze des Rüstungsunternehmens Halliburton hat der frühere Kongressabgeordnete und Bundesminister Hunderte Millionen Dollar verdient, bevor er seine Rente als Staatsdiener für acht Jahre nachbesserte. Man muss sich um das Auskommen der Cheneys nicht sorgen.

Die Verächter Cheneys – und sie sind zahlreich – halten ihn für einen „einsamen, paranoiden, angstbesessenen“ Mann, wie es Lawrence Wilkerson, einst Colin Powells Stabschef, formulierte. Auf derselben Veranstaltung beschrieb ein Diskutant Cheney als „widerwärtige, reptilienartige Person“. Es gibt wenige Politiker, selbst in Washingtons immer gereizterem Klima, die einen solchen Hass auf sich ziehen.

Den erbt auch die Tochter. Am 2. März strahlten Fernsehsender einen Spot des von Liz Cheney und Bill Kristol gegründeten Aktionskomitees „Keep America Safe“ aus. Darin wird von US-Justizminister Eric Holder verlangt, sieben Namen von Beamten seines Ministeriums preiszugeben, die früher als Strafverteidiger von Terroristen hervorgetreten seien. Die „Al-Qaida-Sieben im Ministerium für Dschihad“ müssten enttarnt werden, raunt der Sprecher parallel zum aufsteigenden Bild Osama Bin Ladens.

Es waren nicht nur Linksliberale, die diese Diffamierung als Rückfall in die Hetze McCarthys ächteten. Bill Clintons Nemesis Kenneth Starr und etliche prominente konservative Juristen protestierten gegen Cheneys unamerikanisches Rechtsverständnis. In liberalen Medien hörte man selige Stoßseufzer: Liz Cheney jage ihre Karriere in die Luft, bevor sie beginnt. Man zweifelt: Wenn es einen Wesenszug gibt, der die Cheneys auszeichnet, ist es Überlebenslust.

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