US-Wirtschaft steht vor neuem Abschwung
Von Conrad Mattern
8.4.2010
Die US-Wirtschaft ist noch längst nicht über dem Berg. Ein genauer Blick zeigt: Der Mittelstand darbt und die Finanzkrise hat die kleineren Banken fest im Griff.
Auf den ersten Blick sieht alles ganz rosig aus: In den USA deuten die meisten Konjunkturindikatoren auf einen sich selbst tragenden Aufschwung hin. Die großen Unternehmen schreiben wieder Profite, die Aktienmärkte erklimmen im Wochenrhythmus neue Höhen und von Inflation ist weit und breit nichts zu sehen.
Da die Nachfrage nach Risikokapital zuletzt sogar auf ein Allzeithoch gestiegen ist und die Zinsen auf ihren extrem niedrigen Niveau verharren, reden die Börsianer inzwischen sogar schon wieder von einem Goldilock-Szenario, einem Umfeld, das fast paradiesischen Zuständen gleicht.
Aber Vorsicht, der Schein trügt. Die Saat der kommenden Probleme ist bereits gesät und teilweise sind sie auch schon sichtbar. Nur: Man muss bereit sein, sie auch sehen zu wollen. Es reicht nicht, sich nur die Entwicklung der großen Konzerne und Banken anzuschauen. Denen geht es wieder verhältnismäßig gut, sie kommen an Kredite und sind ausreichend mit Liquidität versorgt. Den staatlichen Subventionen sei Dank.
Wichtiger für die Entwicklung der Gesamtwirtschaft sind die kleineren und mittleren Unternehmen. Sie stehen aber nicht im Rampenlicht und haben keine schlagkräftige Lobby. Deren Verband, die National Federation of Independent Business (NFIB) führt einmal im Monat eine Umfrage durch, die ein vollkommen anderes Bild vom Zustand der amerikanischen Wirtschaft zeichnet: Dem Mittelstand geht es schlecht. Die meisten Indikatoren für diesen Sektor sind zuletzt wieder deutlich gefallen.
Der Hauptgrund liegt in der Finanzierungsstruktur der Unternehmen. Sie haben ihre Konten nicht bei der Citigroup, die wieder Milliarden-Gewinne ausweist, sondern bei kleinen und mittleren Banken, die noch auf einem riesigen Berg von Problemen sitzen. Deren Bilanzen sind noch längst nicht von Not leidenden Krediten bereinigt und die Eigenkapitalstruktur ist immer noch mangelhaft. Zugang zu staatlichen Hilfen haben die Institute nicht, da das Geld schon von den Großbanken aufgebraucht wurde. In der Folge führt dies dazu, dass Kreditvergabe gerade an den Mittelstand erheblich leidet.
Der Aufschwung in Amerika konzentriert sich auf einige wenige Großunternehmen, die breite Mitte hat immer noch riesige Probleme. Hinzu kommt, dass die Rohstoffpreise aufgrund der guten wirtschaftlichen Situation in Asien wieder deutlich anziehen und teilweise sogar neue Rekordstände erreicht haben. Eine Tonne Kupfer kostet beispielsweise mehr als 8000 Dollar und ist damit so teuer wie noch nie.
Auch der Ölpreis zeigt in die gleiche Richtung – ein Preis von 150 Dollar je Barrel noch in diesem Jahr halten viele Experten für nicht ausgeschlossen. Die Krux: Ein Anstieg von über 40 Prozent innerhalb von 12 Monaten hat bisher mit einer schönen Regelmäßigkeit zu einer Rezession geführt. Der Lageraufbau führt also kurzfristig zu einer konjunkturellen Verbesserung in den USA, treibt aber gleichzeitig die Rohstoffpreise nach oben und wird damit zu einer Belastung, die einen dauerhaften und nachhaltigen Konjunkturaufschwung bedroht.
Nur Euroland hat aktuell noch einen Trumpf in der Hand: den günstigen Wechselkurs. Griechenland und den anderen Pigs-Staaten (Portugal, Irland, Spanien) sei Dank. Die ausufernden Staatsschulden und die Spekulationen an den Finanzmärkten haben den Euro deutlich belastet. Seit Ende November hat die Einheitswährung gegenüber dem Dollar um mehr als zehn Prozent an Wert verloren, was der heimischen Exportindustrie zugute kommt.
Ein besseres Konjunkturprogramm ist derzeit kaum vorstellbar, schließlich belastet es die Staatshaushalte nicht zusätzlich. Beggar-my-neighbour-Politik hat man das früher abschätzig genannt.
Nur im Unterschied zu den Abwertungswettläufen früherer Jahre gibt es diesmal mit den maroden Staatshaushalten der Pigs-Staaten einen tatsächlichen Grund, warum der Euro an Wert verliert. Solange die Schuldenproblematik nicht gelöst ist, wird der Euro kaum Chancen haben, stark und dauerhaft an Wert zuzulegen. Die Konjunkturaussichten für Euroland bleiben dadurch freundlich, während sich die auf der anderen Seite des Atlantiks schon wieder eintrüben.
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