Summit Prospects

<--

Gipfelaussichten

Von Rainer Rupp

13.04.2010

Für Montag abend (Ortszeit)erwartete US-Präsident Barack Obama in Washington 47 Staats- und Regierungschefs zu einem »Atom-Gipfel«. Zur Einstimmung hatte er nochmal kräftig eingeheizt. Dabei bediente er sich der von seinem Vorgänger George W. Bush bereits ziemlich abgetragene Klamotte vom »internationalen Nuklearterrorismus« als »größte Bedrohung«. »Wenn Al-Qaida in den Besitz solcher Waffen gelänge, hätten die Terroristen »keine Hemmungen, sie auch einzusetzen«, so Obama am Sonntag. Dafür bekam er kräftigen Applaus von Angela Merkel, die die Gelegenheit nutzte, um erneut schärfere Sanktionen gegen Iran zu fordern. Denn obwohl Iran nicht auf der offiziellen Tagesordnung des Gipfels steht, so pfeifen in Washington die Spatzen von den Dächern, daß Obama insbesondere mit Unterstützung der deutschen Bundeskanzlerin, Sarkozys und Browns die anderen Anwesenden, vorweg das widerspenstige Duo China und Rußland, auf eine härtere Gangart gegen Iran festlegen will.

Als Beweis für seine atomare Friedfertigkeit will Obama nicht nur die Unterzeichnung des russisch-amerikanischen atomaren Rüstungskontrollabkommens START II in Genf letzte Woche gewertet sehen, sondern auch die Entschärfung der schlimmsten nuklearen Aggressionsinstinkte seines Vorgängers Bush, die er jüngst in der neuen US-Nuklearstrategie vorgestellt hat. Demnach wollen die USA in Zukunft keine atomaren Angriffskriege mehr gegen Staaten planen, die selbst keine Nuklearwaffen haben, allerdings mit der Ausnahme von Iran und Nordkorea. Diese beiden Länder verstoßen laut Washington gegen den Nichtweiterverbreitungsvertrag (NPT). Daß zumindest im Fall Iran jegliche Beweise fehlen, stört dabei nicht. Allerdings halten selbst amerikanische Kritiker Obama vor, daß er mit seiner Politik gegenüber Indien und Pakistan nicht nur das nukleare Wettrüsten in der Region politisch fördere, sondern durch seinen neuen nuklearen Kooperationsvertrag mit dem Nicht-NPT-Mitglied Indien, auch materiell die Weiterverbreitung von Atomwaffen fördert.

Ein weiteres Anzeichen, daß es Obama auch unter den kleineren Staaten nicht so leicht gelingen wird, gegen Teheran Stimmung zu machen, kam letzten Mittwoch vom türkischen Ministerpräsident Erdogan. Anders als Obama sieht der nicht in der Fiktion einer nuklear bewaffneten Al-Qaida die größte Bedrohung, sondern in den real existierenden Atomwaffen Israels, das er als »größte Gefahr für den Frieden im Mittleren Osten« ansieht. Ständig werde Iran wegen seines zivilen Atomprogramms von den Westmächten bedroht, »aber Israel kann tun und lassen, was es will«, klagte der türkische Premier vor seinem Abflug am Montag nach Washington. Auf dem Gipfel werde er »eine Antwort auf diese Frage« verlangen. Unterstützung dürfte er dabei bei dem brasilianischen Präsidenten Lula finden, der Irans im NPT verbrieftes Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie energisch verteidigt und an seiner Verachtung für die Doppelmoral des Westens bezüglich Israels Atomwaffen keinen Zweifel läßt. Weder die USA noch der »vereinte Westen« sind offensichtlich stark genug, dem Rest der Welt ihren Willen aufzuzwingen. Womöglich ist das auch der Grund, weshalb der israelische Premier Nethanjahu urplötzlich seine Teilnahme abgesagt hat.

About this publication