Tiefseeöl ist radioaktiv
von Matthias Brügge
21.05.2010
Die jüngste Ölkatastrophe offenbart die Gefahr von Tiefseebohrungen. Deutlich tiefere sind in Planung, die eine noch schwerer wiegende Ölpest mit globalen Folgen nach sich ziehen könnten. Tiefseebohrungen müssen daher beaufsichtigt werden von einer Behörde nach dem Vorbild der Atomaufsicht.
Das Ölleck im Golf von Mexiko hat das Zeug, die größte Ölpest aller Zeiten zu verursachen. Elend scheiterte BPs erster Versuch, das auslaufende Öl aufzufangen. Auch wenn nun 700 Tonnen täglich aufgesogen werden, so zeigt ein Unterwasservideo, dass weiter Unmengen austreten. Sie legen sich als schmieriger Film auf die Wasseroberfläche im Golf, treiben in Richtung Florida, und auch Kuba kann sich auf rötliche Ölschlieren am Strand einstellen. Die hilflosen Versuche, den Ölfilm abzufackeln, verringerten zwar den Ölteppich, produzierten aber jede Menge schwarzen Qualms.
Die Katastrophe der Plattform Deepwater Horizon führt vor Augen, dass Tiefwasserbohrungen die Umwelt global gefährden. Wenn die Obama-Administration nun Fehler bei Lizenzvergabe und technischer Überwachung von Ölförderern einräumt, zeigt das, dass nationale Behörden selbst in Monsterbürokratien vom Range der USA die Komplexität dieser Art der Ausbeutung nicht beherrschen können. Die Aufsicht für Tiefseebohrungen muss einer neuen Behörde übergeben werden. Diese sollte international tätig sein, im System der Uno aufgehängt werden und nach dem Vorbild der Atomaufsichtsbehörde IAEO arbeiten.
Deren Aufsicht gilt als vorbildlich und effektiv. Auf die Ausbeutung von Tiefseeölfeldern angewendet, könnte eine derartige Behörde sicherstellen, dass die höchsten Sicherheitsstandards eingehalten werden. Die jüngst untergegangene BP-Plattform war nicht danach gebaut, ein akustischer Schalter zum Fernverschluss des Bohrlochs fehlte. Er ist in den USA nicht vorgeschrieben. US-Präsident Barack Obama warf der nationalen Behörde, die Tiefseebohrungen beaufsichtigt, eine zu “behagliche” Beziehung zur Ölindustrie vor. Wenn die Aufsicht auf nationaler Ebene nicht funktioniert, dann muss sie international erfolgen.
Eine solche Behörde ist umso nötiger, als der Öldurst der Welt die Ölfirmen in immer tiefere Gewässer treibt. So steht der brasilianische Ölkonzern Petrobras dicht davor, im Atlantik ein in 5000 bis 7000 Metern Tief liegendes Ölfeld anzustechen – in 2000 Metern Wassertiefe. Schon jetzt fördern dort mehr als 60 brasilianische Bohrinseln den Rohstoff an die Wasseroberfläche. Sollte an einer davon eine ähnliche Katastrophe wie am Golf von Mexiko eintreten, dann könnte der Golfstrom austretendes Öl bis an die weit entfernte irische Küste spülen. Bis zur deutschen Nordseeküste wäre es dann nicht mehr weit.
Damit sind die Alternativen klar: Entweder werden Tiefseebohrungen international organisiert oder wir warten, bis sich das nächste Leck am Meeresgrund auftut.
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