Obama und die Große Depression
Von Hans Rauscher
13. August 2010
Das wahre Großstrukturprojekt, dem sich Obama widmen sollte, ist nicht die Gesundheitsreform, sondern die US-Wirtschaft
Barack Obamas bisher einziger innenpolitischer Erfolg ist die Gesundheitsreform (die Regelung des Finanzbusiness wird von den meisten Nichtbankern als zu schwach beurteilt). So wichtig die gesetzliche Krankenversicherung für Millionen total unversicherte Amerikaner war, so sehr verstärkt sich der Eindruck, dass Obama hier das richtige Großstrukturprojekt zum falschen Zeitpunkt angegangen ist.
Das wahre Thema ist mit einiger Sicherheit der strukturelle Zustand der US-Wirtschaft. Die Fed hat soeben verlauten lassen, dass trotz staatlicher Finanzspritzen und niedrigster Zinsen die Konjunktur in absehbarer Zeit nicht anspringen und die Rekord-Arbeitslosigkeit nicht weniger werden wird. Die konventionelle Antwort darauf wäre ein weiterer massiver Finanzstimulus, eine weitere enorme Verschuldung des Staates und ein weiteres Aufkaufen nahezu wertloser Schuldtitel durch die Fed, was praktisch auf eine Staatsfinanzierung durch Gelddrucken hinausläuft. Dieser Weg wird z. B. von Nobelpreisträger Paul Krugman empfohlen, dessen Warnungen vor einer wirklichen Großen Depression nach dem Muster der 30er-Jahre immer deutlicher werden.
Andererseits gibt es (hauptsächlich europäische) Experten, die die US-Economy bereits als “Micky-Maus-Wirtschaft” mit einem Verschuldungsgrad wie Russland knapp vor dem Staatsbankrott 1998 bezeichnen.
Wie auch immer man den Status einer Supermacht beurteilen mag, deren Liquidität davon abhängig ist, dass China unverdrossen weiter ihre Schuldtitel aufkauft – fest steht, dass in den USA schon seit vielen Jahren ein Entindustrialisierungsprozess läuft. Relativ einfache Produktionen wandern nach Asien ab, anderes wächst kaum nach – trotz der technologischen Power der USA. Die Einkommen stagnieren, die Mittelschicht rutscht ab, und die Arbeitslosigkeit verfestigt sich.
Das ist das eigentliche Problem, dem sich Obama widmen müsste. Die USA verlieren ihre industrielle Basis, und der Versuch, die entgangenen Gewinnmöglichkeiten in der Finanzindustrie auszugleichen, führte zum Crash von 2007/08. Die Lösung liegt wahrscheinlich in einem neuerlichen Investitionsstoß, einerseits in die zerbröckelnde Infrastruktur, andererseits in Umwelttechnologie.
Liberale Kolumnisten wie Krugman und Thomas Friedman (beide NY Times) werfen Obama vor, diesen Paradigmenwechsel nicht vollzogen zu haben. Natürlich blockieren die Republikaner im Kongress, wo es geht. Aber auch hier muss man Obama den Vorwurf machen, viel zu lange einer Strategie der “Gemeinsamkeit” gefolgt zu sein, statt zu erkennen und auch laut zu sagen, dass die nach extrem rechts abgerutschten Republikaner absolut verantwortungslos agieren.
Europa hat wenig Grund, sich besser zu fühlen als die USA. Hier hat “nur” der Sozialstaat als automatischer Stabilisator gewirkt – es dauert viel länger als in den USA, bis eine arbeitslos gewordene Person “in den Abgrund stürzt”. Die strukturelle Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Osten findet hier jedoch ebenfalls statt. Aber in Wahrheit war der durchschnittliche europäische Arbeitnehmer immer schon etwas besser gestellt als der amerikanische, war/ist der Wohlstand viel gleicher verteilt als in den USA und ist die Reaktionszeit auf die Krise daher länger und die Fallhöhe geringer. Die USA und Europa haben ähnliche strukturelle Probleme, aber in den USA treten sie schneller und krasser hervor. Und es gibt einen Mann, den Präsidenten, der verantwortlich gemacht wird. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe 14./15.8.2010)
Very interesting and insightful article. Hey, I have a solution…all we need to do is export all of our union organizers to Asia! It was the excessive demands of unions in the U.S. and Europe that destroyed our industrial bases. So, if we send our union organizers there, their industrial bases will be leveled out with ours.
Best regards,
Gail S
http://www.backyardfence.wordpress.com