Palin als Königsmacherin der Anti-Obama-Bewegung
Das konservative Amerika demonstriert seine Stärke. Ob es Antworten auf die wichtigsten Fragen hat, wird sich sich zeigen.
Er habe keine politische Demonstration gewollt, sagte Glenn Beck, Veranstalter des Massenauflaufs zur „Wiederherstellung der Ehre“ am Lincoln Memorial in Washington, einem Ehrenschrein der Nation. In der Tat stellten die Hunderttausende, die dem Aufruf des Fernseh-Talkers folgten, mehr dar: Sie präsentierten sich als Vortrupp einer möglichen Kulturrevolution gegen die Reformpolitik Barack Obamas. Und Beck, der sich auf der Kundgebung mit benebelndem Pathos und in religiöser Attitüde an konkreten Politikentwürfen vorbeimogelte, ist endgültig zu einem Faktor der republikanischen Kandidatenfindung für 2012 geworden.
Beck und Sarah Palin, seine Gastrednerin, sind das Königsmacherpaar der Opposition, die längst nicht mehr Synonym nur für die Republikaner ist, sondern das bunte Lager der Tea Party einschließt.
Die Demonstration liefert keine Belege für Rassismus
Beck hatte sich in der Vergangenheit als veritabler Reaktionär präsentiert. Er diffamierte in Fernsehsendungen Obama als Marxisten und Rassisten. Die Tea Party, die sich bislang auf Proteste gegen die Wirtschaftspolitik und die Gesundheitsreform konzentrierte, musste sich hingegen des Vorwurfs erwehren, Obama zu bekämpfen, weil er Afroamerikaner ist. Die Demonstration lieferte hingegen keine Belege für Rassismus. Und Beck, ein Profi der Manipulation öffentlicher Befindlichkeiten, predigte Nächstenliebe und Gottesglauben anstelle von Hass und Diffamierung.
Eine Bewegung, die nicht Illiberalität verbreitet, sondern dem Individualismus eine Stimme gibt in der Auseinandersetzung mit Obamas Ziel eines Zugewinns bundesstaatlicher Kompetenzen für Gesundheitsreform, Umweltschutz oder Bankenaufsicht, täte den USA gut. Sie könnte die Polarisierung der Gesellschaft mäßigen, die unter George W. Bush begann und unter Obama noch zunahm.
Die Regierung könnte mit einer Opposition, die das traditionelle Misstrauen eines Großteils der Amerikaner gegen „Big Government“ sachlich formuliert, Kompromisse suchen. Von Republikanern, Tea Party, Beck und anderen verlangt das aber konkrete Ideen. Und auch die ehrliche Debatte darüber, warum vermeintlich „sozialistische“ Staaten, zu denen gern Deutschland gerechnet wird, mit ihrem Sozialsystem in Wirtschaftskrisen geringere Probleme mit Arbeitslosigkeit und gesellschaftlichen Verwerfungen haben.
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