Florida 2010 und Granada 1492
THOMAS SEIFERT (Die Presse)
Ein durchgeknallter Pastor in Florida will den Koran verbrennen. Das ist Brandstiftung im Kampf der Kulturen.
Drucken Senden Merken AAA Textgröße Kommentieren Aus dem Archiv:US-Kirchengruppe plant Koranbücher-Verbrennung (07.09.2010)Ground Zero: Eine Moschee und viele Emotionen (23.08.2010)Ägyptische Uni warnt vor Koran-Verbrennung in den USA (13.08.2010)Marginalie: Ist al-Qaida ein humanitärer Verein? (11.06.2010)Für Pastor Terry Jones ist die Welt ein Ort in Schwarz-Weiß: Er selbst ist ein Mann Gottes, und der Islam ist der Teufel. Am neunten Jahrestag der Anschläge des 11. September ruft Jones zu einer Koran-Verbrennung in seiner Gemeinde „Dove World Outreach Center“ auf.
Von Florida 2010 nach Granada 1492: Pater Jones steht mit seiner Provokation in der Tradition der christlichen Reconquista: Christliche Ritter unter Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros verbrannten nach der Eroberung des spanischen Granada Koran-Ausgaben, die Araber wurden zurückgeschlagen, die spanischen Könige erließen auch das Alhambra-Edikt, in dem die Vertreibung der Juden aus allen Territorien der spanischen Krone angeordnet wurde.
Granada steht seither für christliche Intoleranz gegenüber den anderen Religionen Abrahams. Heinrich Heines Zitat: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, stammt aus dem Toleranzstück „Almansor“, das vor dem Hintergrund dieses historischen Ereignisses spielt. 1492: Da war doch noch was? Ein Genuese im Dienst der spanischen Krone hat am 12. Oktober 1492 seinen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt.
Von Granada nach Cordoba: Der Name der 202 Kilometer von Granada entfernten andalusischen Stadt taucht in der New Yorker Moscheenkontroverse wieder auf. In diesem Streit geht es darum, dass ein paar Blocks entfernt von jenem Ort, an dem bis zum 11. September 2001 das World Trade Center stand, eine Moschee errichtet werden soll – federführend dabei ist die Gruppe „Cordoba Initiative“.
Warum Cordoba? Als Andalusien von den Arabern beherrscht wurde, war Cordoba ein geistiges Zentrum, in dem Juden, Christen und Muslime friedlich koexistierten. Der Initiator der Cordoba-Initiative, Feisal Abdul Rauf, ist einer der wichtigsten Denker des Sufismus, einer mystischen Form des Islam, die die Gewalt von Bin Ladens al-Qaida aufs Schärfste ablehnt.
Rauf will seine Hand zu den nichtmuslimischen Amerikanern ausstrecken und Rauf ist jemand, der in seinem Buch „What’s right with Islam is what’s right with America“ Parallelen zwischen islamischen und amerikanischen Werten zieht. Der tolerante Imam steht auf der Abschussliste von al-Qaida. Vor allem Republikaner sind gegen die Moschee – zumindest an dieser Stelle: Sogar Karen Hughes, die der frühere Präsident George W. Bush während seiner Präsidentschaft eingesetzt hatte, um die Beziehungen Amerikas zur islamischen Welt zu verbessern, hat sich dafür ausgesprochen, die Moschee an einem anderen Platz zu bauen. Dabei sind längst mehr Muslime als Bürger der Vereinigten Staaten durch die Hand muslimischer Extremisten umgekommen. Die meisten Opfer von al-Qaida oder den Taliban heißen nicht John, Susan oder George, sondern Mohammed, Fatima oder Hussein.
Ach, Amerika! Was ist bloß aus den Vereinigten Staaten geworden? Waren die USA nicht stets der Hort der religiösen Toleranz, jener Ort, an den die Europäer geflohen sind, um der religiösen Repression auf dem Alten Kontinent zu entgehen?
Im Westen ist das Feindbild unserer Tage der Islam: Sarrazinismus und andere Simplifizierungen in Deutschland, Moscheenabschießspiele und andere Scheußlichkeiten in Österreich, Islam-Beschimpfungen durch Geert Wilders in den Niederlanden. Und nun eben Koran-Verbrennungen in Florida. Steuern wir auf ein neues „Zeitalter der Extreme“, wie der in Wien aufgewachsene Historiker Eric Hobsbawm das blutige 20. Jahrhundert und den Schrecken der großen Diktaturen genannt hat, zu?
Denn die Koran-Verbrennung eines durchgeknallten Pastors in Florida wird zu einer Gefahr für die nationale Sicherheit der USA. Davor warnt sogar der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus. Denn die islamischen Fundamentalisten warten nur darauf, den Ball, der ihnen von Leuten wie Pastor Terry Jones zugespielt wird, aufzunehmen. Irgendein Terry-Jones-Gegenstück auf islamischer Seite wird den Pawlow’schen Reflexen folgend schon zum „Jihad“ aufrufen. Die Hassspirale darf sich also munter weiterdrehen.
Es sei denn, man überlässt die Debatte nicht länger den Brandstiftern und Zündlern, den Ignoranten und Ideologen, den Hasspredigern und Koran-Verbrennern.
Genug ist genug. Eine Politik der Angst führt in den Untergang. Es ist an der Zeit, den Scharfmachern und Extremisten entgegenzutreten.
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 08.09.2010)
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