Obama und die Partei des Neins
Christoph Prantner
23.9.2010
Die völlig abgedrehten Republikaner sind das eigentliche Drama dieses Wahlkampfs
Wenn es bei diesen Wahlen um Zorn und Apathie, grundiert mit Amnesie, geht, sind wir in großen Schwierigkeiten. Wenn es aber darum geht, wer die Probleme anpacken kann, dann werden sich Kongress und Präsident aus ihrer misslichen Lage befreien können.” Das Zitat stammt aus berufenem Mund. Von einem, der weiß, wie es ist, bei Zwischenwahlen von den Republikanern abserviert zu werden: Bill Clinton. Bei den demokratischen Primaries noch einer der schärfsten Kritiker Barack Obamas, springt er heute dem Präsidenten in einem äußerst schwierigen Wahlkampf beherzt bei.
Zu 1994 allerdings, als Clintons Demokraten 54 Sitze im Repräsentantenhaus und deren acht im Senat verloren, gibt es einige wesentliche Unterschiede: Obama war in seinen ersten 18 Monaten im Weißen Haus deutlich erfolgreicher. Im Gegensatz zu den anfangs chaotisch agierenden Clintons etwa hat er seine Gesundheitsreform durchgebracht. Und vor allem sind die Republikaner von damals in keiner Weise mit jenen von heute zu vergleichen. 1994 signalisierte die Grand Old Party noch, dass sie nach einer harten Wahlkampfauseinandersetzung Kompromisse mit dem Weißen Haus eingehen würde. Heute wird der unversöhnliche Ton bei den Republikaner von den geifernden Ideologen der Tea Party, den Krawallmachern bei FoxNews-TV und Sarah Palin vorgegeben – in dieser konservativen Freakshow sind Kompromiss und politischer Abtausch Fremdworte.
Das eigentliche Drama diese Wahlkampfs ist nicht so sehr, dass Obama diesmal für die zur Wahl stehenden Demokraten nicht mehr jene große Koalition aus Unabhängigen, Liberalen und Jungen mobilisieren kann, die ihn selbst ins Weiße Haus getragen hat. Es ist nicht die Enttäuschung der Amerikaner, die anhaltende Wirtschaftsflaute oder das neuerdings lausige Timing von Obamas Wahlkampfstrategen. Es ist vielmehr der ideologische Zustand der Republikanischen Partei, der nach dem 2. November zu einer totalen Systemlähmung in den Vereinigten Staaten führen könnte.
Selbst eingefleischte Republikaner wie Ronald Reagans Wirtschaftsberater David Stockman, das Gesicht der Reaganomics in den beginnenden 1980er-Jahren, gehen auf Distanz zu den Forderungen, die heute die Agenda der ehemals wirtschaftsorientierten Partei dominieren: “Wenn es so etwas wie ein Konkursrecht für Politiker gäbe, dann wäre die Forderung der Republikaner, die unverantwortlichen Steuersenkungen von George Bush beizubehalten, gleichbedeutend mit einem Konkursantrag”, schrieb er unlängst in der New York Times.
Reagan hatte noch den Ausgleich zwischen der Businessfraktion, den Ideologen und den Sicherheitsfalken bei den Republikanern geschafft. Davon ist heute nichts mehr übrig. Die Grand Old Party ist eine Partei des Neins geworden. Sie kann keine plausiblen Gegenentwürfe zur jetzigen Politik vorlegen, dafür herrschen Polarisierung und Konfrontation.
Erreichen die Republikaner mit dieser Strategie tatsächlich die prognostizierten Erdrutschgewinne bei den Midterms, bedeutet das einen politischen Kleinkrieg und eine zweijährige Lähmung Obamas und der Agenda in den USA. David Stockman spricht sogar davon, dass relevante Entscheidungen erst wieder im Budgetjahr 2015 fallen würden. Das wären in der Tat nicht nur “große Schwierigkeiten”, sondern eine gefährliche Drohung. Für die USA und den Rest der Welt. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2010)
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